News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 
Wettlauf um das Higgs-Teilchen bleibt offen  
  Der Wettlauf der Teilchenphysiker um den endgültigen Nachweis des so genannten Higgs-Bosons ist nach wie vor offen. Europas Forscher fiebern der Inbetriebnahme des neuen Teilchenbeschleunigers entgegen.  
Der neue Large Hadron Collider (LHC) soll Ende des Jahres am Forschungszentrum CERN für Forschungen zur Verfügung stehen. Währenddessen laufen die Forschungen in den USA am Fermi-Lab bei Chikago.

Vom 19. bis 24. ist die Elite der Teilchenphysiker zur "Vienna Conference on Instrumentation" in Wien versammelt.
->   VCI 2007 - Vienna Conference on Instrumentation
Dem Aufbau der Materie auf der Spur
Mit den Teilchenbeschleunigern dringen Physiker immer tiefer in den Aufbau der Materie vor. Elektronen oder auch Protonen werden im Vakuum mittels Magneten auf geraden oder kreisförmigen Bahnen gehalten und auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt.

Werden die hochenergetischen Partikel dann auf ein Ziel geschossen oder gegen einander gelenkt, zerplatzen sie effektiv in ihre Bestandteile. Diese hinterlassen messbare Spuren, welche von Detektoren aufgefangen werden.

Je höher die Kollisions-Energien, desto exotischer sind die entstehenden Bruchstücke und desto tiefer können die Wissenschaftler in den Baukasten der Materie blicken.
Zeitreise bis Urknall
Die Zusammenstöße der beschleunigten Partikel bietet aber auch eine Zeitreise bis hinein in den Urknall. Denn in den ersten Sekundenbruchteilen nach der Entstehung des Universums herrschten derart hohe Energien, wie sie heute in den Beschleunigern erzeugt werden.
Das Standardmodell
Nach dem so genannten Standardmodell gehen die Wissenschaftler heute davon aus, dass die Grundbausteine der Materie aus sechs verschiedenen Quarks und sechs Leptonen bestehen. Die Quarks bauen jeweils zu drei Stück Protonen und Neutronen auf, zu den Leptonen zählen Elektronen und Neutrinos.

Daneben gibt es dann auch noch die Kraftteilchen, nämlich Photonen (Lichtteilchen) als Vermittler der elektromagnetischen Kraft, Gluonen, welche die Protonen und Neutronen in Atomkernen zusammenhalten, sowie Z- und W-Bosonen als Vermittler der schwachen Wechselwirkung.
Higgs-Teilchen: Nachweis fehlt
Ein Teilchen, das es laut dem Standardmodell ebenfalls geben muss, das bisher aber nicht nachgewiesen werden konnte, ist das so genannte Higgs-Teilchen, Higgs-Boson oder schlicht "das Higgs". Es soll laut dem theoretischen Konzept dafür verantwortlich sein, dass andere Teilchen Masse besitzen.

"Das Higgs-Teilchen muss existieren, wenn das Standardmodell der Elementarteilchen stimmt" - soweit sind sich Physiker heute weitgehend einig. Alleine der sichere experimentelle Nachweis steht bisher aus.
->   Higgs-Boson - Wikipedia
Keine gesicherte statistische Aussage bisher
Mit dem Vorgänger des LHC, dem LEP, wurden am CERN Beschleunigungs- und Kollisions-Energien erreicht, bei denen das Higgs laut Theorie gerade hätte sichtbar werden können. Tatsächlich gab es auch Hinweise auf das Teilchen. Zwei bis drei Ereignisse seien aufgezeichnet und ausgewertet worden, bei denen sich das Teilchen möglicherweise gezeigt hat, berichtete Manfred Krammer vom Institut für Hochenergiephysik der ÖAW gegenüber der APA.

Das Problem dabei war, dass die geringe Zahl an Ereignissen für gesicherte statistische Aussagen nicht ausreichte. Der Nachweis des Teilchens steht daher noch aus.
LHC "muss" Higgs finden
Nachdem für den LHC der Tunnel des LEP genutzt wird, mussten die Techniker den alten Beschleuniger im Jahr 2000 abdrehen. Seither sammeln die amerikanischen Forscher am Fermi-Lab fleißig Daten und es ist offen, wann das Material für einen gesicherten Nachweis des Teilchens ausreicht.

Eines steht fest: mit dem wesentlich leistungsfähigeren LHC, der vermutlich 2008 erste Daten liefern wird, muss das Higgs gefunden werden. Wenn nicht, stimmt etwas mit den Theorien nicht.
...
LHC: Österreicher bauen mit
Österreich ist über das Institut für Hochenergiephysik sowohl am Aufbau als auch am Betrieb des LHC maßgeblich beteiligt. So konzipierten die ÖAW-Wissenschaftler den so genannten Tracker, einen Halbleiterdetektor, der die Spuren der bei den Kollisionen erzeugten Teilchen aufzeichnet.

Auch am so genannten Trigger waren bzw. sind die heimischen Physiker beteiligt. Diese elektronische Einheit wählt aus dem Wust an anfallenden Daten jene aus, die interessant sein könnten. Eine Auswertung aller Ereignisse durch Menschen wäre schlicht unmöglich.
->   Website "HEPHY"
...
Problemlöser Supersymmetrie
Am LHC soll aber nicht nur nach dem Higgs geforscht werden. "Eine weitere offene Frage der Teilchenphysik ist, warum es gerade sechs Quarks und sechs Leptonen gibt", so Krammer. Auf der Suche nach übergeordneten Erklärungen sind Theoretiker auf die so genannte Supersymmetrie gekommen.

Diese Theorie würde einige Probleme lösen. Sie sagt voraus, dass es für jedes derzeit bekannte Teilchen ein supersymmetrisches Pendant geben muss, das sich wie ein Kraftteilchen verhält, umgekehrt muss es für jedes Kraftteilchen ein Gegenstück geben, das sich wie ein Teilchen verhält.

Nicht zuletzt sind supersymmetrische Teilchen eine mögliche Erklärung für die immer noch mysteriöse Dunkle Materie im Weltall. Wenn der LHC seine volle Leistung erreicht, müssten auch Hinweise auf supersymmetrische Teilchen gefunden werde, so sie existieren, ist Krammer überzeugt.

[science.ORF.at/APA, 20.2.07]
->   LHC Website
->   Fermilab
Mehr zum Thema in science.ORF.at:
->   Higgs-Teilchen vermutlich leichter als angenommen (10.1.07)
->   Beschleuniger soll nach Higgs-Teilchen suchen (15.11.05)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010