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Gefährdete Sprachen enthalten wertvolles Wissen  
  Von den 7.000 Sprachen der Erde gelten mehr als die Hälfte als gefährdet. Ihr Verschwinden wäre nicht nur ein herber Kulturverlust, sondern würde auch das Wissen über Fauna und Flora dezimieren, warnt ein Experte.  
Mit jeder Sprache, die abhanden kommt, gehe Jahrhunderte lang angehäuftes Wissen indigener Völker über die Natur verloren.

Und dieses sei für die westlichen Wissenschaften sehr wertvoll, wo doch erst rund 20 Prozent alle Arten des Tier- und Pflanzenbereichs klassifiziert worden ist, meinte der Ethnologe David Harrison vom Swarthmore College in Pennsylvania bei der Jahrestagung der US-Wissenschaftsgemeinde (AAAS).
Indigene Taxonomie als Wissensreservoir
Informationen über lokale Ökosysteme seien so in die Sprachen dieser Völker verwoben, dass einfache Übersetzungen zu nichts führen würden.

Die indigene Taxonomie - die Systematik, mit der sie die Natur einteilen - alleine würde bereits ein riesiges Reservoir an Wissen darstellen, das sich durch das Erlernen ihrer Sprache ergibt.
Beispiel Rentier
Ein Beispiel des Forschers laut der Online-Ausgabe des "New Scientist": Ein südsibirisches Volk besitzt zahlreiche und komplexe Bezeichnungen für Rentiere, die sich nach ihrem jeweiligen Entwicklungsstand richten.

Was "Chary" genannt wird, könnte man mit einem "zwei Jahre alten, männlichen, unkastrierten, reitfähigen Rentier" umschreiben.
Sprachanalysen statt Laborarbeit
Harrison hält die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern mit Menschen, die seit Jahrhunderten in abgelegenen Plätzen gelebt haben, deshalb für besonders wertvoll. Die Informationen ihrer Sprachen könnten jahrelange Arbeit im Labor erübrigen.

Selbst Fragen genetischer Verwandtschaft seien durch dieses Einlassen auf fremde Kulturen zu beantworten.

Wieder ein Beispiel: Sowohl Stahlkopfforelle als auch Cutthroat-Forelle werden von einem Volk im kanadischen British Columbia als Lachsarten bezeichnet: Gen-Analysen haben bestätigt, dass es sich tatsächlich bei beiden um Vertreter der Lachse handelt und um keine Forellen.

[science.ORF.at, 20.2.07]
->   David Harrison, Swarthmore College
->   New Scientist
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Identifikation von Sprachfamilien durch "Urgene" (30.9.05)
->   Strichcodes: Die Zukunft der Arten-Einteilung (14.5.03)
->   Taxonomen als "Taufpaten" der Naturwissenschaft (2.10.02)
 
 
 
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01.01.2010