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Metakognition: Ratten reflektieren Erfolgsaussichten  
  Ratten verfügen über die Fähigkeit, ihr eigenes Wissen und Können einzuschätzen. Wie US-Forscher der Universität Georgia berichten, gelang es den kleinen Tieren, die Schwierigkeitsstufe eines Tests in den meisten Fällen zu erkennen und dann eine Entscheidung für oder gegen die Teilnahme zu treffen. Das ist insofern erstaunlich, als bisher diese Fähigkeit zur "Metakognition" nur Menschen und Primaten zugeschrieben wurde.  
Die Psychologen Allison Foote und Jonathon Crystal stellten die Ratten vor die Wahl: Entweder sie nehmen an einem Test teil und bekommen bei erfolgreicher Absolvierung eine große Belohnung, bei Misserfolg aber nichts. Oder sie verweigern den Test und erhalten nur eine kleine, dafür aber sichere Prämie.

Es zeigte sich, dass immer mehr Tiere den Test ablehnten, je schwerer er wurde. Das deutet darauf hin, dass sie sich ihrer Fähigkeiten bewusst waren und sie richtig einschätzen konnten.
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Die Studie "Metacognition in the Rat" von Allison L. Foote und Jonathon D. Crystal (Department of Psychology, University Georgia) erscheint am 20. März 2007 in "Current Biology" (DOI:10.1016/j.cub.2007.01.061).
->   Current Biology
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Grundlegende Eigenschaft von Menschen und Primaten
Metakognition bezeichnet die Fähigkeit, Wissen über das eigene Wissen aufzubauen. Diese Möglichkeit, über das eigene geistige Vermögen nachdenken zu können, gilt als eine grundlegende Eigenschaft, die den Menschen und dem Menschen eng verwandte Primaten auszeichnet und vom Rest der Tierwelt unterscheidet.

Allison Foote und Jonathon Crystal räumen deshalb in ihrer Studie auch gleich ein, dass ihre Thesen wahrscheinlich Widerspruch provozieren werden. Sie wollen nämlich mit ihrer Arbeit belegt haben, dass auch Ratten dazu imstande sind, ihre kognitiven Fähigkeiten richtig einzuschätzen.
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Der Test
Das Vorhaben gestaltete sich nicht einfach, schließlich fällt es nicht leicht, mit Tieren über abstrakte Informationen oder Konzepte zu kommunizieren. Um dem Denkvermögen der Ratten auf die Spur zu kommen, wählten Foote und Crystal folgende Vorgangsweise: Zuerst lernten die Ratten zwischen einem kurzen (zwischen zwei und 3,6 Sekunden) und einem langen (zwischen 4,4 und acht Sekunden) Ton zu unterscheiden. Die Töne wurden mit verschiedenen Hebeln assoziiert. Wählten die Tiere den richtigen, bekamen sie eine große Belohnung, lagen sie aber falsch, erhielten sie nichts.

In einem weiteren Schritt ließen die Forscher die Länge der Töne immer ähnlicher werden und eröffneten den Tieren gleichzeitig die Möglichkeit, den Test zu verweigern. Dann bekamen sie eine kleine Belohnung.
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Schwierige Tests verweigert
Zwei Ergebnisse deuten darauf hin, dass "die Ratten beurteilen können, ob sie über genügend Information verfügen, um den Test zu bestehen", wie Foote und Crystal schreiben:

Erstens entscheiden sich immer mehr Tiere dafür, den Test zu verweigern und die kleinere, dafür aber sichere Belohnung zu akzeptieren, je schwieriger er wurde. Wenn der kurze und lange Ton kaum mehr zu unterscheiden war, ließen die meisten Tiere den Test aus.
Mehr Fehler, wenn Verweigerung nicht möglich war
Und zweitens nahm die Fehlerhäufigkeit zu, je schwieriger der Test wurde, besonders dann, wenn den Ratten die Möglichkeit genommen wurde, die Prüfung zu verweigern.

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Tiere bei Erklingen der Töne ungefähr einschätzen konnten, ob sie bestehen würden oder nicht, und die entsprechend richtige Schlussfolgerung zogen.
Verfügen auch Nicht-Primaten über ein Bewusstsein?
Die Forscher sehen jetzt jene in einem Dilemma, die meinten, dass nur Primaten zu Metakognition fähig seien. Sie stellen sogar Vermutungen an, ob man nicht auch bei Nicht-Primaten von einem "Bewusstsein" sprechen kann - und betreten damit das nächste heikle Terrain.

[science.ORF.at, 9.03.07]
->   Mehr über Metakognition bei Wikipedia.de
->   Psychological Department, University of Georgia
Mehr zum Thema in science.ORF.at:
->   Auch Tiere reflektieren ihre geistigen Fähigkeiten (3.12.03)
 
 
 
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01.01.2010