News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 
Attraktivität: Geschlechts-Bilder wichtiger als Biologie  
  Nicht die Hüfte, erst der Hüftschwung lässt Menschen die Attraktivität eines anderen beurteilen. Wie US-Psychologen herausfanden, wird der viel zitierte Taille-Hüft-Quotient zur Beurteilung der Anziehungskraft überschätzt. Vielmehr existierten im Kopf der Betrachter Bilder vom geschlechtsspezifischen Verhalten des bzw. der anderen. Erst wenn Biologie und Vorstellung einander entsprechen, wächst die Attraktivität.  
Kerri Johnson und Louis Tassinary von der Universität New York widersprechen damit zahlreichen Studien, die das Verhältnis zwischen Hüfte und Taille als Attraktivitätsmaßstab beschrieben. Vielmehr müssten die kulturell gefärbten Bilder, die man von jedem Geschlecht im Kopf hat, mit dem der Biologie übereinstimmen, um einen Mann oder eine Frau als anziehend wahrzunehmen.
...
Die Studie "Compatibility of basic social perceptions determines perceived attractiveness" von Kerri Johnson und Louis Tassinary ist zwischen 12. und 16. März 2007 in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" erschienen (DOI:10.1073/pnas.0608181104).
->   Zur Original-Studie (sobald online)
...
Rätsel Mensch, Phänomen Schönheit, ...
Seit Jahrzehnten versucht die Wissenschaft, insbesondere die Biologie und Verhaltensforschung, der Attraktivität im Sinn sexueller Anziehungskraft auf die Spur zu kommen.

Während es bei manchen Tieren noch relativ einfach ist, weil ein besonders prächtiges Federkleid oder spezielle Brunftrufe die Damenherzen schmelzen lassen, ist das Rätsel Mensch schwieriger zu lösen.
->   Auf den evolutionären Spuren der Schönheit (11.5.06)
... aber Attraktivität berechenbar?
Trotzdem ließ die Forschung nicht locker und versuchte, die sexuelle Anziehungskraft von Menschen zu berechnen. Im Speziellen nahmen die Wissenschaftler das Verhältnis zwischen Taille und Hüfte ins Visier und zeigten in Versuchen, dass ein Quotient von 0,7 für Frauen und 0,9 bei Männern als besonders attraktiv wahrgenommen wird - wenn also der Taille-Umfang 70 Prozent bzw. 90 Prozent des Hüftumfangs entspricht.

Der Taille-Hüft-Quotient (Waist-Hip-Ratio) sei ein Hinweis auf Gesundheit und Fruchtbarkeit, deshalb die Auswahl von Partnern anhand dieser Parameter ein evolutionärer Vorteil, so lautete die Begründung der Biologen.
->   Taille-Hüft-Verhältnis bei Wikipedia.de
...
Einschätzung variiert zwischen Kulturkreisen
Kerri Johnson und Louis Tassinary halten dem entgegen, dass die Einschätzung, wer als attraktiv wahrgenommen wird, von Kulturkreis zu Kulturkreis variiert.

Man könne deshalb vom Taille-Hüft-Quotienten nicht wie von einer absoluten Größe sprechen, vielmehr müssen noch andere Faktoren wichtig sein. Sie richteten ihren Blick auf den Gang, der stellvertretend für das Bild von Männlichkeit bzw. Weiblichkeit stand.

Zuerst entwarfen sie am Computer Figuren, die einen unterschiedlichen Taille-Hüft-Quotienten aufwiesen. Eine Figurengruppe ließ stärker die Hüften schwingen, eine ging neutral dahin und die dritte drehte die Schultern beim Gehen.
->   Video: Weiblicher und männlicher Gehstil (Computer-Figuren, 2,4 MB)
...
Übereinstimmung zwischen Sex und Gender
Schon bei den Kunstfiguren zeigte sich, dass Gang und Taille-Hüft-Quotient zwei zentrale Faktoren sind, um zuerst das Geschlecht zu bestimmen und dann über die Attraktivität zu entscheiden. Als am attraktivsten wurden jene Figuren wahrgenommen, bei denen der Quotient ideal war und der Gang das Geschlecht verdeutlichte.

Danach drehten die Forscher Videos von Menschen, denen die Gangart des jeweils anderen Geschlechts beigebracht wurde. Und wiederum war das Zusammenspiel zwischen Sex und Gender, also die Übereinstimmung zwischen Geschlecht und den Bildern, die die Zuseher vom jeweiligen Geschlecht in sich trugen, ausschlaggebend für die Attraktivität.
->   Video: Menschen mit dem antrainierten Gang des anderen Geschlechts (1,8 MB)
Rechenformeln für Attraktivität obsolet
"Die soziale Wahrnehmung von Geschlecht ist die Basis, die Kompatibilität zwischen den Vorstellungen und der Biologie entscheidet darüber, ob eine Person als attraktiv wahrgenommen wird oder nicht", schreiben Johnson und Tassinary in ihrer Studie.

Dadurch lassen sich auch die Unterschiede zwischen den Kulturen begreifen: In jeder Kultur gibt es eine andere Vorstellung von Weiblichkeit und Männlichkeit.

Wenn die Biologie nicht zu diesen Bildern passt, sinkt auch die Attraktivität. Rechenformeln zur Bestimmung der Anziehungskraft seien deshalb obsolet, schließen die Forscher.

Elke Ziegler, science.ORF.at, 13.3.07
->   Universität New York, Abteilung für Psychologie
Mehr zum Thema in science.ORF.at:
->   Attraktivität: Männerstimmen müssen nicht tief sein (1.2.07)
->   Partnerwahl: Zwischen Gegensätzen und Ähnlichkeiten (13.7.05)
->   Partnerwahl: Aufschlussreicher Blick ins Gesicht (10.5.05)
->   "Cat Walk" und Westernheld: Was Bewegungsmuster verraten (18.7.03)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010