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Nur Trendwechsel kommt nie aus der Mode  
  Herbert Grönemeyer und DJ Ötzi dominieren gerade die Hitparade von Ö3. Lukas und Leonie sind derzeit die beliebtesten Vornamen für Neugeborene. Was das miteinander zu tun hat? Laut britischen Forschern eine ganze Menge. Sie haben verschiedene Ranglisten der Beliebtheit untersucht und erstaunliche Parallelen gefunden.  
Die Rate, mit der sich Trends verändern, scheint über viele Jahrzehnte hindurch bei ganz unterschiedlichen Phänomenen gleich zu bleiben.

Entscheidend seien die Vorgaben einiger prominenter Trendsetter, berichten Forscher um den Anthropologen Alex Bentley von der britischen Durham University.
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Die Studie "Regular rates of popular culture reflect random copying" ist in "Evolution and Human Behaviour" (DOI: 10.1016/j.evolhumbehav.2006.10.002; 28.3.07) erschienen.
->   Abstract der Studie
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Änderungsrate ist prognostizierbar
Gleichgültig ob musikalische Vorlieben, Mode oder die Auswahl von Vornamen: Für die britischen Verhaltensforscher entsteht Populärkultur in erster Linie als Folge der Imitation anderer.

Der Geschmack anderer Menschen wird in ihrem reduktionistischen Ansatz von den Individuen permanent imitiert - nicht aufgrund rationaler Entscheidungen, sondern "zufällig".

Deshalb könne auch nicht vorhergesagt werden, wie der neue Trend lautet, der den alten ablöst.
Gleichmäßiger Trendwechsel über Jahrzehnte
Was schon prognostiziert werden kann, ist die Rate, mit der sich die Modetrends ändern. Um dies zu untersuchen, haben die Forscher die US-Hitparade von den 1950er Jahren an über einen Zeitraum von 30 Jahren untersucht ("Billboard Top 200") analysiert.

Sie maßen die Neueinstiege und auch jene Lieder, die wieder aus den Charts verschwanden.

Dabei zeigten sich zwar bei einzelnen Wochen und Monaten Abweichungen: Über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg betrug die Austauschrate aber überraschenderweise gleichmäßig 5,6 Prozent pro Woche.
Bei Hitparade, Vornamen und Hunderassen
Ein ähnliches Ergebnis zeigte sich bei der der Vorliebe für Hunderassen in Amerika, welche die Forscher jahresweise von 1926 bis 2004 untersuchten. Hier stießen die Forscher auf regelmäßig zwölf Prozent neue Arten alle vier Jahre.

Und auch die Hitliste der beliebtesten Vornamen von US-Babys, die im 20. Jahrhundert geboren wurden und jahrzehnteweise verglichen wurden, ergab das gleiche Bild.

Zwar ändern sich die Modenamen bei Mädchen (18 Prozent neue Namen pro Jahrzehnt) schneller als bei Buben (13 Prozent), die Austauschraten blieb aber über den gesamten Untersuchungszeitraum konstant.
Gruppengröße ändert nichts an der Tendenz
Wie schnell sich diese und andere Hitparaden verändern, hängt laut den Forschern ausschließlich von ihrem Umfang ab: Bei einer "Top 100"-Liste ist dies schneller der Fall als bei einer, die nur 40 Titel umfasst. Die Größe der Gruppe, die über die Hitliste entscheidet, ist hingegen nicht relevant, sagen die Forscher.

Zwar haben mehr Individuen auch mehr neue Ideen, aber das bedeute auch wieder mehr Wettbewerb um die Top-Positionen der Hitparaden. Die beiden Phänomene würden sich aufheben, sodass sich die Veränderungsrate nicht ändert, auch wenn die Anzahl der Individuen variiert.

Das zeigte sich ebenfalls an der Untersuchung der Billboard-Charts, denn während die US-Bevölkerung im Untersuchungszeitraum stark gewachsen ist, blieb die Änderungsrate der Hitparade konstant.
Innovatoren als Trendsetter
Laut den Forschern kommt es auf die Innovatoren innerhalb eines Systems an, wie schnell sich die Mode ändert.

"Innovatoren sind die coolen Personen, die neue Trends setzen. Die meisten werden zwar ignoriert, einige werden aber kopiert." Von ihnen gibt es nicht viele, vermutlich nicht mehr als ein Prozent pro Population, diese seien aber von enormer Bedeutung - ein Umstand, der etwa vom "viralen Marketing" erkannt wurde.
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PC-Simulation stützt Thesen
Ihre empirischen Resultate verknüpften die Forscher mit Computer-Simulationen, bei denen Individuen verschiedene Aspekte voneinander zufällig kopierten. Zwei Prozent wurden als "Innovatoren" programmiert, die neue Trends hervorbrachten. Die Hitparade der virtuellen Modeerscheinungen, die daraus resultierten, deckte sich laut den Forschern mit den Resultaten aus der realen Welt.
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Beckham und Madonna
Wichtige Innovatoren sind nach Angaben der Forscher Prominente - so wie der Fußballer David Beckham, der vor einigen Jahren mit seiner Irokesen-Frisur viele Nachahmer fand.

"Es geht um den Wechsel der Mode an und für sich, mehr oder weniger unabhängig vom Inhalt", meint Bentley und verwies auf die Popsängerin Madonna. "Sie weiß um diese Wichtigkeit und verändert seit 20 Jahren permanent ihr Image."

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 30.3.07
->   Billboard Top 200
->   Hitparade der US-Babynamen
->   Beliebteste Vornamen in Österreich
->   Alex Bentley, Durham University
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->   Forschungsprojekt: Soundtrack meines Lebens (5.9.06)
 
 
 
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01.01.2010