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HIV-Übertragung: Diskussion über Bedeutung der Muttermilch  
  Wenn HIV-infizierte Mütter ihre Neugeborenen stillen, riskieren sie, dass sich die Kinder mit dem AIDS-Virus anstecken. Nach einer Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation sollten sie dies deshalb bleiben lassen.  
Doch ganz so einfach ist es nicht. Wie eine aktuelle Studie aus Afrika beweist, senkt sich bei HIV-infizierten Frauen das Risiko der Weitergabe der Krankheit an die Kinder deutlich, wenn sie ausschließlich mit Muttermilch gefüttert werden.

Auf österreichische Verhältnisse ist dies aber nicht zu übertragen, warnen Experten. Sie raten HIV-erkrankten Frauen auch weiter dringend vom Stillen ihrer Kinder ab.
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Die Studie "Mother-to-child transmission of HIV-1 infection during exclusive breastfeeding in the first 6 months of life: an intervention cohort study" von Nigel Rollins von der University of KwaZulu-Natal (Südafrika) und Kollegen ist am 31. März 2007 im Medizinjournal "The Lancet" erschienen (Band 369, S. 1107-1116, DOI:10.1016/S0140-6736(07)60283-9).
->   Zur Studie (frei nach Gratis-Registrierung)
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Ansteckungsgefahr elf Mal höher
Wie die in "Lancet" veröffentlichte Studie ergab, halbierte sich in einer Klinik in Südafrika bei ausschließlicher Fütterung mit Muttermilch die Zahl der mit dem HI-Virus angesteckten Kinder gegenüber Müttern, die sowohl Muttermilch als auch Baby-Nahrung gaben.

Bei Kleinkindern, die nur Baby-Nahrung erhielten, lag die Ansteckungsgefahr im Vergleich zur Muttermilch-Gruppe demnach sogar elf Mal höher.
Nur vier Prozent mit HIV infiziert
An der Studie nahmen in KwaZulu-Natal, Südafrikas am stärksten von AIDS betroffener Provinz, über drei Monate 1.372 Kinder teil. Dabei befanden sich 83 Prozent in der Muttermilchgruppe, von ihnen wurden lediglich vier Prozent mit HIV infiziert.

Zudem zeigte sich eine insgesamt geringere Sterblichkeit bei den Kindern, die nur die Brust erhielten. Sie lag bei 6,1 Prozent, während sie bei ausschließlich mit Ersatz-Nahrung gefütterten Kindern 15,1 Prozent betrug.
Fremde Proteine könnten Anfälligkeit erhöhen
Studienleiter Nigel Rollins von der Universität KwaZulu-Natal sagte, bisher lasse sich das Phänomen mit Blick auf die HIV-Infektion nicht mit Sicherheit erklären.

Eine Vermutung sei, dass fremde Proteine in künstlicher Baby-Nahrung die Angreifbarkeit von Kindern für den HI-Virus erhöhten.

Auch dürfte die Magenschleimhaut, die mithilfe der Muttermilch gebildet wird, einen besseren Schutz vor den HI-Viren bieten.
Soziale und hygienische Umstände wichtig
Auf die sozialen Umstände macht der Infektiologe Werner Zenz von der Medizin Uni Graz aufmerksam. "Der Lancet-Artikel bezieht sich auf afrikanische Verhältnisse, wo die Menschen so arm sind, dass sie sich keine Behandlung der HIV-Infektion leisten können.

In dieser speziellen Situation scheint nun das ausschließliche Stillen weniger HIV-Übertragungen zu bewirken als die Mischung von Stillen und Beikost. Da arme Leute in Afrika es sich nicht leisten können, vollkommen auf Muttermilch zu verzichten, wurde diese Studie durchgeführt", meinte Zenz gegenüber science.ORF.at.
Heimischer Experte: "Dringend vom Stillen abraten"
Prinzipiell bestehe aber immer die Gefahr, dass ein Kind mit dem HI-Virus in Kontakt kommt, wenn eine HIV-Infizierte Mutter ihr Kind stillt. "Deswegen wird in Österreich in dieser Situation vom Stillen dringend abgeraten", betonte Zenz von der Kinder- und Jugendklinik in Graz.

Durch die prophylaktischen Maßnahmen - wie Überwachung HIV-infizierter schwangerer Frauen und die prophylaktische Behandlung des Kindes in den ersten Lebenswochen - betrage das Risiko, dass in Österreich ein Neugeborenes einer HIV-Infizierten Mutter mit dem HI-Virus infiziert, ein Prozent.

Das Risiko einer HIV-Infektion lag bei allen Vergleichsgruppen der "Lancet"-Studie viel höher.
Änderung der WHO-Empfehlungen?
Nichtsdestotrotz wünschen sich die Forscher der "Lancet"-Studie, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ihre Empfehlungen an HIV-infizierte Frauen zu Gunsten der Muttermilch-Fütterung ändern, zu der auch bei nicht erkrankten Frauen geraten wird.

[science.ORF.at/APA/AFP, 30.3.07]
->   Lancet-Aussendung zu der Studie
->   WHO-Guideline zum Stillen bei HIV-Infektion (pdf-Datei)
->   University of KwaZulu-Natal
->   Med-Uni Graz, Kinder- und Jugendklinik
 
 
 
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01.01.2010