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Psycho-Krankheiten "kosten" 7,2 Mrd. Euro jährlich  
  Sechs bis sieben Prozent der Gesundheitskosten in Österreich entfallen auf psychiatrische Erkrankungen. Laut einer aktuellen Studie sind das für fünf ausgewählte Krankheiten pro Jahr rund 7,2 Milliarden Euro.  
Für psychiatrische Erkrankungen wurden in einer Studie der Medizinischen Universität Wien ("Cost of Disorders of the Brain in Europe") erstmals die genauen Kosten erhoben - die volkswirtschaftlichen Auswirkungen sowie Einsparungsmöglichkeiten durch moderne Arzneimittel.
Mangelhafte Versorgung
Nein, es gehe nicht um eine Stigmatisierung, im Gegenteil: Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen bräuchten eine bessere Versorgung. Nur wenige würden langfristig professionell betreut.

Vor allem am Land sei die Umstrukturierung der Psychiatrie noch nicht abgeschlossen und vielerorts seien Fachärzte oder Spitalsabteilungen nicht innerhalb von 40 Minuten erreichbar, so Walter Schöny, Leiter der oberösterreichischen Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg.

Emotional wie finanziell würden die Angehörigen die Hauptlast tragen, so die Autoren der neuen Studie zu den Kosten psychischer Erkrankungen.
20 bis 25 Prozent Betroffene
Jeder vierte bis fünfte Österreicher leidet im Laufe seines Lebens unter einer psychischen Erkrankung - ob Depression, Sucht oder Demenz. Erstmals wurden die Kosten erhoben, von der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Universität Wien: sowohl direkte Kosten (wie Arzneimittel) als auch indirekte Kosten (wie Arbeitslosigkeit). Studienautor ist der Sozialpsychiater Johannes Wancata.

"Durch nur fünf Krankheitsbilder psychischer Erkrankungen entstehen in Österreich 7,2 Milliarden Euro an Kosten. Das sind aber nicht alle psychischen Erkrankungen, sondern nur fünf ausgewählte", so Wancata im Ö1 Mittagsjournal.

Nämlich: Abhängigkeiten, Depressionen, Angsterkrankungen, Demenz und Psychosen. Sie machen laut Wancata aber nur sechs bis sieben Prozent der gesamten Gesundheitskosten für alle Arten von Erkrankungen und Behandlungen aus.
31 Prozent Arbeitsausfall, 3 Prozent Arzneien
Woraus sich der Betrag von 7,2 Milliarden Euro pro Jahr zusammensetzt, erläutert die Gesundheitsökonomin Evelyn Walter am Beispiel des Jahres 2005: z.B. haben die Krankenkassen im Jahr 2005 200 Millionen Euro für Psychopharmaka ausgegeben; 520 Millionen Euro haben Spitalsaufenthalte gekostet und Arbeitsausfälle 134 Millionen Euro.

Dazu kommen soziale Dienste, Frühpensionierungen, Adaptierungen in der Wohnung, Arbeitsausfälle von Angehörigen.

Sozialpsychiater Johannes Wancata: "Der größte Brocken der Kosten entsteht durch Arbeitsausfälle. An zweiter Stelle stehen Krankenhausbehandlungen. Nur drei Prozent der Kosten werden durch Medikamente verursacht."
Einsparungspotenzial durch Medikamente
Auch wenn Medikamente nur drei Prozent ausmachen, laut Gesundheitsökonomin Evelyn Walter könnten moderne Medikamente die Gesamtkosten verringern: Sie seien wirksamer und besser verträglich, die Patienten würden seltener eine Therapie abbrechen; Spitalsaufenthalte könnten verhindert bzw. verkürzt werden.

Studienautor Johannes Wancata im ORF-Radio: "Medikamente spielen eine wichtige Rolle, aber sozialpsychiatrische und psychotherapeutische Interventionen spielen die gleiche Rolle. Auch dieser Bereich muss adäquat finanziert werden."
Stigma auch heute noch
Mit nüchternen Euro-Beträgen wollen die Experten keinesfalls Betroffene stigmatisieren. Walter Schöny, Leiter der oberösterreichischen Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg:

"Stigma und Diskriminierung verhindern, dass Menschen rechtzeitig in Behandlung kommen; verhindern, dass ausreichend finanzielle Mittel bereit gestellt werden und führen zu großem Leid."
Tendenz steigend
Ein Resumee der Studie: Zu psychiatrischen Erkrankungen werde fast ausschließlich mit Geld von der Pharmaindustrie geforscht, öffentliche Fördergelder für die Forschung seien spärlich.

Leider, so der Sozialpsychiater Wancata, denn viele psychische Erkrankungsformen würden in Zukunft häufiger werden - allen voran Demenz.

Künftig sollten Demenzen und Depressionen daher auch vorsorglich in der kostenlosen Gesundenuntersuchung berücksichtigt werden, fordert der Psychiater.

Barbara Daser, Ö1 Wissenschaft, 2.4.07
->   The Cost of Disorders of the Brain in Europe
 
 
 
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01.01.2010