News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Gesellschaft 
 
In-Vitro-Fertilisation führt zu höherer Geburtenrate  
  In der Diskussion über sinkende Geburtenraten in den meisten europäischen Ländern lässt ein Wiener Demograph nun mit einer Analyse zu Dänemark aufhorchen. Dass dort eine Frau durchschnittlich 1,9 Kinder zur Welt bringt, hänge nicht zuletzt mit dem unkomplizierten und staatlich geförderten Zugang zur künstlichen Befruchtung zusammen.  
4,2 Prozent der dänischen Kinder "entstanden" 2004 bereits durch In-Vitro-Fertilisation und andere Methoden der künstlichen Befruchtung, in Großbritannien sind es hingegen nur 1,4 Prozent.
...
Tomas Sobotka vom Institut für Demografie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften präsentierte seine Thesen laut einem Bericht des "New Scientist" bei der Jahrestagung der "Population Association of America" Ende März 2007 in New York.
->   New Scientist
...
Immer weniger Kinder, immer ältere Eltern
Zwei Trends konnten in den vergangenen Jahrzehnten in Europa beobachtet werden: Erstens bringen Frauen immer weniger Kinder zur Welt, und zweitens sind sie immer älter, wenn sie ihr erstes Kind bekommen.

In Österreich etwa kamen 2006 auf tausend Einwohner 8,74 Geburten, im Durchschnitt bringt eine Frau 1,41 Kinder zur Welt, wobei sie beim ersten Kind im Schnitt bereits über 28 Jahre alt ist (für Väter gibt es keine entsprechenden Analysen). In Ländern wie Irland, Italien oder den Niederlanden ist jede zehnte Frau bereits älter als 35, wenn sie zum ersten Mal Mutter wird.
Belastung für Gesundheits- und Pensionssystem
Diese Trends in der Bevölkerungsentwicklung lassen seit einigen Jahren bei Politikern die Alarmglocken läuten. Denn betrachtet man etwa die Sterberate in Österreich (2006: 9,76 pro 1.000 Einwohner), wird nicht nur deutlich, dass die Bevölkerung schrumpft, sondern dass sie auch überaltert - mit allen belastenden Konsequenzen für das Pensions- und Gesundheitssystem.
...
Geburtenraten in Europa
Österreich ist mit seiner niedrigen Geburtenrate nicht allein in Europa. Auch in Deutschland, Griechenland, Spanien und Italien entschließen sich - neben den ehemals staatssozialistischen Ländern wie Tschechien, Slowakei, Polen, Litauen usw. - immer weniger Menschen dazu, mehr als ein Kind zu bekommen. Freude am Nachwuchs haben hingegen Eltern in Frankreich, den skandinavischen Ländern, Großbritannien, Irland und den Benelux-Staaten.
->   Kind(er) pro Frau im EU-Vergleich (Eurostat)
...
Rolle von Gesellschaft und Politik
Die Bereitschaft, Nachwuchs in die Welt zu setzen, hängt eng mit den Zukunftsaussichten zusammen, die die Eltern, und vor allem die Mutter hat. Dass in Frankreich eine Frau beinahe zwei Kinder bekommt, lässt sich auf das engmaschige Betreuungsnetz zurückführen und die gesellschaftliche Haltung, dass ein Baby keinen Schaden erleidet, wenn es zeitweise von anderen Personen als den eigenen Eltern betreut wird.
Erfolgsfaktor künstliche Befruchtung
Der Wiener Demograph Tomas Sobotka fügt nun der Liste mit Erfolgsfaktoren einen weiteren hinzu: Wie er in einem Vortrag bei der Jahrestagung der "Population Association of America" festhielt, "entstehen" in Dänemark (1,8 Kinder pro Frau) besonders viele Babys durch künstliche Befruchtung.

Sobotka sieht darin die Ergebnisse einer gezielten Politik. Nachdem die Eltern immer älter werden, bis sie ihr erstes Kind bekommen, nehmen auch die Probleme bei der natürlichen Befruchtung zu. Dänemark gestaltete den Weg zu In-Vitro-Fertilisation (IVF) und anderen Methoden bewusst niederschwellig: Künstliche Befruchtung gilt als akzeptiert und wird vom Staat massiv finanziell unterstützt. Außerdem sind die Wartelisten kurz.
...
Szenario: Späte Elternschaft und Befruchtung
Um die langfristigen Auswirkungen erfassen zu können, wählten die Forscher um Sobotka mehrere Frauengenerationen aus und entwarfen ein Modell, in dem späte Elternschaft und die Verwendung künstlicher Befruchtung kombiniert wurden. Das Ergebnis: Die Geburtenrate blieb stabil hoch. Ohne IVF und Co begann sie zu sinken.
...
Kein Rezept für ganz Europa
Was in Dänemark funktioniert, muss aber kein Rezept für ganz Europa sein: Sobotka unterstrich in seinem Vortrag, dass der starke Gebrauch von künstlicher Befruchtung auch eine kulturelle Frage und nicht überall gleich akzeptiert sei.

Elke Ziegler, science.ORF.at, 8.4.07
->   Tomas Sobotka (ÖAW)
->   Institut für Demographie (ÖAW)
->   Population Association of America
->   Journal "Demographic Research"
->   Max-Planck-Institut für demografische Forschung
Mehr zum Thema in science.ORF.at:
->   Künstliche Befruchtung ohne Hormongaben möglich (19.12.06)
->   Künstliche Befruchtung: Forscher warnt vor Langzeitfolgen (4.11.06)
->   Geschlecht bei künstlicher Befruchtung wählbar? (24.3.05)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Gesellschaft 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010