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Zehn Jahre Gentechnik-Volksbegehren: Bilanz  
  Vor zehn Jahren startete das Gentechnik-Volksbegehren, das bisher zweiterfolgreichste Volksbegehren in Österreich. Von 7. bis 14. April 1997 konnten die Österreicher und Österreicherinnen ihre Unterschrift leisten - im Endeffekt taten dies mehr als 1,2 Millionen.  
Zehn Jahre später hat science.ORF.at die Umweltorganisation Greenpeace um ihre Bilanz gebeten.
Drei Forderungen
Gentechnikfrei ist Österreich auch zehn Jahre nach dem Volksbegehren nicht. Denn viele importierte Tier-Futtermittel enthalten gentechnisch verändertes Soja. Der Wortlaut der drei Forderungen im April vor zehn Jahren:

1. "Kein Essen aus dem Genlabor in Österreich",
2. "Keine Freisetzungen genmanipulierter Organismen in Österreich",
3. "Kein Patent auf Leben".
Gemischte Gefühle zum Jubiläum
Die Umweltorganisation Greenpeace bilanziert zehn Jahre Gentechnik-Volksbegehren mit gemischten Gefühlen. Deren Gentechnik-Experte Steffen Nichtenberger auf Radio Österreich 1:

"Beispielsweise existiert der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in Österreich de facto nicht - da sind wir gut unterwegs. Auch finden sich keine gentechnisch veränderten Lebensmittel in den Supermarktregalen. Wo aber Handlungsbedarf besteht, das sind die gentechnisch veränderten Futtermittel."

Einen Antrag auf Freisetzung zu Versuchszwecken einer Gen-Maissorte hatte es übrigens Ende 1997 gegeben, er wurde aber aufgrund von rechtlichen Unsicherheiten von der Saatgutfirma wieder zurückgezogen.
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Das Volksbegehren
Mit 1.225.790 Unterschriften war das Gentechnik-Volksbegehren (das zeitgleich mit dem Frauen-Volksbegehren im April 1997 abgehalten wurde) das bis heute zweiterfolgreichste Volksbegehren der Zweiten Republik. Die Stimmbeteiligung betrug 21,23 Prozent. Die nötigen Unterstützungserklärungen, damit das Volksbegehren überhaupt eingeleitet werden konnte, kamen damals von acht Grünen Nationalratsabgeordneten.
->   Alle Volksbegehren der Zweiten Republik (Innenministerium)
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GVO-Fall Futtermittel
600.000 Tonnen Soja-Schrot oder Soja-Presskuchen werden pro Jahr nach Österreich importiert, sagt Steffen Nichtenberger von Greenpeace, und Schätzungen zufolge seien davon 80 Prozent gentechnisch verändert bzw. mit GVO-Soja in Kontakt geraten und daher verunreinigt.

Über den Weg der Verfütterung lande das Gentech-Soja im Schweineschnitzel oder im Ei, sagt der Greenpeace-Sprecher.
Unzureichende Kennzeichnung?
In Österreich muss Gentechnik in Lebensmitteln und im Tierfutter gekennzeichnet werden. Auf dem Etikett muss per gesetzlicher Verordnung "deutlich lesbar" stehen: "Dieses Produkt enthält gentechnisch veränderte Organismen".

Das gilt für Lebensmittel, für Futtermittel und für Saatgut. Allerdings erst ab einem Schwellenwert von 0,9 Prozent.

Greenpeace-Sprecher Steffen Nichtenberger im ORF-Radio: "Es muss zwar ein gentechnisch verändertes Lebensmittel gekennzeichnet sein und auch gentechnisch veränderte Futtermittel - aber das Produkt, das dabei entsteht, nicht: Wenn also eine Kuh gentechnisch verändertes Soja frisst, muss die Milch, die diese Kuh gibt, nicht mehr gekennzeichnet sein."
->   Gentechnik-Kennzeichnungsverordnung (Gesundheitsministerium)
Kein GVO-Food im Handel
Die Forderung, gentechnisch veränderte Lebensmittel in Österreich gesetzlich zu verbieten, wurde nur bedingt umgesetzt: ein Verbot gibt es nicht, dennoch seien in den Supermärkten praktisch keine Produkte zu finden, deren Inhaltsstoffe gentechnisch verändert sind, sagt Steffen Nichtenberger von Greenpeace:

"Der Lebensmittelhandel hat sich selbst verpflichtet, keine gentechnisch veränderten Lebensmittel zu verkaufen. Wenn man sich Pflanzen anschaut, die in der EU zugelassen sind, wären das zum Beispiel gentechnisch veränderte Maispolenta oder gentechnisch verändertes Rapsöl. Diese Produkte findet man in Österreichs Supermärkten nicht."
Ein Patent auf Leben?!
Die dritte Forderung des Gentechnik-Volksbegehrens vor zehn Jahren - "kein Patent auf Leben" - sei nicht umgesetzt, so Greenpeace:

"Über Hintertüren ist es möglich, Lebewesen zu patentieren - man kann nämlich technische Verfahren patentieren lassen. Man kann z.B. nicht die Sonnenblume selbst patentieren, aber man kann das Verfahren zur Züchtung patentieren oder das Verfahren zu Röstung der Kerne für die Öl- und Margarineherstellung."

Um diese "Hintertür" zu veranschaulichen hat die Umweltorganisation kürzlich beim Europäischen Patentamt ein Patent auf europäische Politiker eingereicht.

Barbara Daser, Ö1 Wissenschaft, 6.4.07
->   Greenpeace
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Greenpeace reichte Patentantrag für Politiker ein (29.3.07)
->   Franz Seifert: EU als "Player" am Feld globaler Gentechnikpolitik (23.3.07)
->   Zehn Jahre in EU: Österreich trotzt Gentech-Mais (6.12.04)
 
 
 
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01.01.2010