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Drogensucht: "Eine Form pathologischen Lernens"  
  Eine einzige Dosis Morphium reicht aus, um Nervenbahnen nachhaltig zu verändern. Die Veränderungen bleiben noch lange erhalten, nachdem die Droge im Körper längst nicht mehr vorhanden war, berichten US-Forscher. Um diesen langfristigen Effekt zu erzielen, macht sich die Substanz Mechanismen des Gehirns zunutze, die auch beim Lernen aktiviert werden.  
Die Studie von Julie Kauer und Kollegen von der Brown University stütz damit die Annahme, dass Abhängigkeit eine Krankheit ist, die Hirn-Mechanismen neu gestaltet. Sie erklärt auch, warum Drogenabhängige noch Jahre, nachdem sie "clean" geworden sind, unter Entzugserscheinungen leiden können.
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Die Studie "Opioids block long-term potentiation of inhibitory synapses" ist in "Nature" erschienen (Band 446, DOI:10.1038/nature05726).
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Langzeit-Potenzierung
Konkret analysierten Julie Kauer und ihre Kollegen die so genannte Langzeit-Potenzierung: Wenn Synapsen, die die Verbindungsstücke zwischen Nervenzellen bilden und die Hauptakteure des Informationsaustausches im Gehirn darstellen, zu feuern beginnen, werden sie mit der Zeit stärker. Diese sich mit der Zeit verfestigenden Beziehungen bilden die Basis des Gedächtnisses.
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Erregende versus hemmende Synapsen
Erregende Synapsen erhöhen den Ausstoß von Chemikalien wie des mit Glücksgefühlen in Verbindung stehenden Neurotransmitters Dopamin; hemmende Synapsen können den Chemikalienfluss dagegen verhindern.
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Auswirkungen im Gehirn untersucht
Die Forscher untersuchten, wie sich Drogen auf die Synapsentätigkeit in einem Bereich des Gehirns von Ratten auswirken, der überlebenswichtige Funktionen wie Essen und Trinken steuert und damit Teil des Belohnungssystems ist, das auch bei Drogensucht eine zentrale Rolle spielt.
"Bremse gelöst"
Wie sich zeigte, stören Drogen das Verhältnis zwischen den erregenden und hemmenden Synapsen. Während in einem gesunden Gehirn nach einer Erregung immer wieder der Ausgleich durch eine vermehrte Aktivität der hemmenden Synapsen geschaffen wird, fehlte dieses Gleichgewicht nach der Einwirkung von Drogen.

"Es ist, als ob eine Bremse gelöst worden wäre und die erregenden Synapsen einfach wild zu schießen beginnen", schildert Julie Kauer. Auch 24 Stunden nach der Einnahme von Drogen könne diese Hyperaktivität noch beobachtet werden.
Drogensucht "eine Form pathologischen Lernens"
Die Schlussfolgerung der Forscher: Während das Feuern der Synapsen beim Lernen stimulierend wirkt, da der Ausstoß von Dopamin einen Anreiz schafft, mehr zu lernen, wird derselbe Mechanismus gefährlich, wenn Drogen wie Heroin oder Kokain genommen werden.

Unter dieser Annahme sei "Abhängigkeit eine Form von pathologischem Lernen", sagte Kauer. Denn das Gehirn schaffe ein Belohnungssystem für etwas, das für den Körper schädlich sei.

[science.ORF.at/AFP, 25.4.07]
->   Brown University
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01.01.2010