News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 
Falsche Vorgaben: Babys werden oft überfüttert  
  Kinder, die in den ersten Monaten ausschließlich mit Muttermilch ernährt werden, legen meist nicht so schnell an Gewicht zu wie mit Ersatznahrung gefütterte Babys - und erreichen deshalb auch oft nicht die bisher gültigen Vorgaben. Laut einem deutschen Forscher sind diese aber zu hoch angesetzt und ebnen nur den Weg der Kinder in späteres Übergewicht.  
Auch wenn die Eltern den Eindruck haben, dass sich ihr Kind gut entwickelt, üben Ärzte bei unterdurchschnittlicher Gewichtszunahme Druck aus, dass das Baby zusätzlich zur Muttermilch Ersatznahrung bekommen sollte. Die Langzeitbeobachtung voll gestillter Kinder zeigt aber: Sie entwickeln sich prächtig und haben weniger oft mit Übergewicht zu kämpfen. Die WHO-Tabelle von 1977 wurde deshalb überarbeitet.
...
Der "New Scientist" berichtet in seiner Ausgabe von 28. April 2007 von der Diskussion über das ideale Baby-Gewicht.
->   New Scientist
...
Grundlagen für späteres Übergewicht geschaffen
Als die Weltgesundheitsorganisation WHO 1977 die Gewichtszunahme-Tabelle für die ersten beiden Lebensjahre eines Kindes veröffentlichte, geschah das mit guter Absicht: Mit der ständigen Gewichtskontrolle sollte eine Mangelernährung eines Babys erkannt und langfristige Schäden verhindert werden.

"Gut gemeint ist oft das Gegenteil von Gut", meint dazu im übertragenen Sinn Bert Koletzko, Kinderspezialist der Universität München. Denn langfristig haben diese Vorgaben dazu geführt, dass schon im Babyalter die Grundlagen für späteres Übergewicht gelegt werden.
"Vermeidbare Fettleibigkeit"
Die Tabellen orientierten sich an Kindern, die mit stark proteinhältiger Ersatznahrung gefüttert wurden und legten den Maßstab zu hoch. "Als Ergebnis erhielten wir viele Erwachsene mit vermeidbarer Fettleibigkeit", meint Koletzko, der ein europaweites Forschungsprojekt zu frühkindlicher Ernährung leitet.
Proteinreiche Ersatzmilch: Überdurchschnittlich schwer
Im Rahmen "Early Nutrition Programming Project" (EARNEST) beobachteten Koletzko und seine Kollegen 1.000 Kinder aus fünf europäischen Ländern. Sie zeichneten Ernährung und Gewicht auf, bis die Babys zwei Jahre alt waren.

Der Zusammenhang war deutlich: Kinder, die proteinreiche Ersatzmilch bekommen haben, waren doppelt so oft überdurchschnittlich schwer wie ihre Altersgenossen, die anders ernährt wurden. Als Grund vermutet Koletzko zusätzliche Aminosäuren in der Ersatznahrung, die die Produktion des Hormons Insulin und des Insulin-ähnlichen Wachstumsfaktors 1 (IGF-1) fördern. Insulin fördert die Fettspeicherung und IGF-1 verstärkt allgemein das Körperwachstum.
Neue Tabelle
 
Bild: New Scientist

Die WHO kennt die Bedenken gegen ihre Gewichtstabelle und reagierte ihrerseits mit einer Revision der Vorgaben (siehe Tabellen oben). Hersteller von Ersatzmilch betonen laut "New Scientist", dass der Proteingehalt ihrer Erzeugnisse in den vergangenen 25 Jahren bereits um mehr als die Hälfte verringert wurde. Sie wären aber zu einer weiteren Reduktion bereit, wenn damit das Risiko von Fettleibigkeit tatsächlich verringert werden könnte.

Forscher üben auch an einer zweiten Vorgabe Kritik: Anscheinend haben Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft stark an Gewicht zulegen, ein mehr als vierfach erhöhtes Risiko, bereits als Kleinkinder übergewichtig zu sein.
...
Gewichtszunahme in der Schwangerschaft
Folgende Vorgaben gelten derzeit für die Gewichtszunahme während der Schwangerschaft:
- 11,5 bis 16 kg bei einem normalen Body-Mass-Index (BMI) der werdenden Mutter (19,8-26)
- 12,5 bis 18 kg bei einem unterdurchschnittlichen BMI (unter 19,8)
- 7 bis 11,5 kg bei einem erhöhten BMI (26-29)
- bis zu 7 kg bei einem stark erhöhten BMI (über 29)
->   BMI-Berechnung
...
Auch Gewicht während Schwangerschaft überdenken
US-amerikanische Forscher berichten, dass auch diese Vorgaben möglicherweise zu hoch angesetzt sind und angesichts zunehmender Fettleibigkeit überarbeitet werden müssen. Mehr Aufklärung von schwangeren Frauen, dass sie nicht "für zwei essen" müssen, könnte die Gefahr, dass schon Kleinkinder übergewichtig werden, reduzieren helfen.

Elke Ziegler, science.ORF.at, 27.4.07
->   Studie über Gewichtszunahme in Schwangerschaft (Abstract)
->   Early Nutrition Programming Project
Mehr zum Thema Fettleibigkeit in science.ORF.at:
->   USA: Krankhafte Fettleibigkeit steigt dramatisch an (11.4.07)
->   Fettleibige Menschen essen zuerst mit den Augen (13.3.07)
->   Fettleibigkeit: Gehirn-Rezeptoren entscheidend (14.8.06)
->   Informationsplattform für krankhaft Fettleibige (7.4.06)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010