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Pflanzen-Sex geht auch einfacher  
  Blütenpflanzen haben einen komplizierten Befruchtungsmechanismus: die doppelte Befruchtung, bei der neben dem Embryo auch ein Nährgewebe entsteht. Deutsche und norwegische Forscher haben nun die Fortpflanzung der Ackerschmalwand quasi auf halbem Weg gestoppt - und dennoch lebensfähige Pflanzen geschaffen.  
Offenbar reicht eine einfache Befruchtung aus, damit sich eine fruchtbare Pflanze entwickelt, berichtet ein Forscherteam um Arp Schnittger vom Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln.
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"Bypassing genomic imprinting allows seed development" von Moritz K. Nowack erschien auf der Website von "Nature" (doi:10.1038/nature05770).
->   Abstract
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Doppelt hält besser
250.000 verschiedene Arten von Blütenpflanzen gibt es. Charakteristisch für die Blütenpflanzen - und wahrscheinlich einer der Gründe für ihre weite Verbreitung - ist die doppelte Befruchtung. Im Gegensatz zur einfachen Befruchtung, wie z. B. beim Menschen, verschmelzen bei den Blütenpflanzen jeweils zwei weibliche und zwei männliche Keimzellen.

Dabei entstehen auch zwei Befruchtungsprodukte: Aus dem ersten entwickelt sich der Embryo, der zur Pflanze heranwächst, und aus dem zweiten geht ein Nährgewebe hervor, Endosperm genannt. Es ist Nahrungsquelle für den Embryo. Die Bildung des Endosperms ist einzigartig im Pflanzenreich, ihr Ursprung ist bis heute jedoch nicht geklärt.
Alte Hypothese bestätigt
Bild: Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung, Arp Schnittger
Die Forscher um Schnittger fandeen nun einen Weg, wie man die doppelte Befruchtung umgehen kann. Trotz einfacher Befruchtung entstand ein lebensfähiger Embryo, der während seiner Reifung von einem Endosperm ernährt wird, das nun aber rein mütterlichen Ursprungs ist.

Damit konnten sie Beweise für eine über 100 Jahre alte Hypothese des Bonner Botanikers Eduard Strasburger erbringen. Strasburger war aufgrund mikroskopischer Beobachtungen zu der Annahme gekommen, dass sich das Endosperm ursprünglich aus dem mütterlichen Gewebe entwickelt hat, und dass das Wachstum dieses Gewebes durch die doppelte Befruchtung nur angeregt wird.

Bild rechts: Der nach einfacher Befruchtung erzeugte Same der Ackerschmalwand (Embryo hellrot, Nährgewebe dunkelrot) ist zwar etwas kleiner als normalerweise, aber er zeigt alle typischen Merkmale eines Samens.
Männliche Keimzelle gibt Wachstumsimpuls
Doch welche Rolle spielt die männliche Keimzelle dann bei der Entwicklung des Endosperms, wenn man die doppelte Befruchtung einfach umgehen kann und trotzdem einen gesunden Embryo erhält?

"Bei der Fortpflanzung werden zusätzliche Informationen an die Nachkommen weitergegeben, die nicht in der DNA-Sequenz 'beschrieben' sind, sondern etwas mit dem Bau der Chromosomen zu tun haben ", erklärt Arp Schnittger.

Diese so genannte epigenetische Information reguliert hauptsächlich das Ablesen der Gene. Im Fall der doppelten Befruchtung bei Blütenpflanzen ist es insbesondere der Befehl der männlichen Keimzelle, der zum vermehrten Wachstum des Endosperms führt.
Ähnliche Situation bei Säugetieren?
Eine besondere Art der epigentischen Regulation führt dazu, dass bestimmte Gene in den Nachkommen unterschiedlich stark aktiviert werden - je nachdem, ob eine Kopie des Gens von der Mutter oder vom Vater kommt.

Dieses Phänomen wird als "Imprinting" bezeichnet und existiert nicht nur bei Blütenpflanzen, sondern auch beim Menschen. Imprinting ist auch bei Säugetieren wichtig für die Regulation des embryonalen Wachstums.

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass bei Pflanzen das Imprinting an sich nicht notwendig ist, wenn man das mütterliche und das väterliche Genom neutralisiert", sagt Schnittger. Und er fügt hinzu: "Eine spannende Hypothese ist nun, dass möglicherweise das Gleiche auch für Säugetiere zutrifft."

[science.ORF.at/MPG, 30.4.07]
->   Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung
->   Endosperm - Wikipedia
->   Imprinting - Wikipedia
 
 
 
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01.01.2010