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Förderungen: "Akademisches" statt biologisches Alter  
  Um in der Forschung Karriere zu machen, sind stromlinienförmige Biografien gefragt, was nicht gerade familienfreundlich ist. Förderprogramme tragen nun endlich neben dem "biologischen" auch dem "akademischen" Alter von Forscherinnen und Forschern mit Kindern Rechnung.  
4.739 Forscherinnen
Österreich ist etwas anders. In den "She Figures" über Frauen und Wissenschaft, die zuletzt im Jahr 2006 für die EU der 25 erhoben wurden, macht Österreich keine gute Figur. Beim Anteil der Wissenschaftler an den Arbeitskräften belegte die Alpenrepublik mit 2,2 Prozent Männern und einem Prozent Frauen vor der Slowakei den vorletzten Platz.

Von den knapp 26.000 in Österreich tätigen Forschern waren nur 4.739 Frauen. Immerhin: Ein eindeutiger Aufwärtstrend ist erkennbar, denn 1998 gab es gerade einmal 2.626 Wissenschaftlerinnen.
Höherer Frauenanteil wünschenswert
Ein höherer Anstieg wäre für die F&E-Landschaft in Österreich wünschenswert: Gerade im privatwirtschaftlichen Forschungsbereich, der in den vergangenen Jahren besonders eindrucksvolle Wachstumsraten zu verzeichnen hatte, herrscht nicht nur "Not am Mann", sondern vor allem auch an der forschenden Frau, nicht zuletzt beim Nachwuchs.

Was also tut sich in Österreich forschungspolitisch, damit das Land in den nächsten Jahren zumindest ein durchschnittliches europäisches Niveau erreicht? Seit Anfang 2002 kümmern sich gleich drei Ministerien - für Wissenschaft (BMWF), für Infrastruktur (BMVIT) und für Wirtschaft (BMWA) - sowie der Rat für Forschung und Technologieentwicklung (FTE-Rat) mit vereinten Kräften speziell um Frauen in Naturwissenschaft und Technik.
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Maßnahmenpaket zur Förderung von Frauen
Das Maßnahmenpaket nennt sich fFORTE, für seine Finanzierung wurden vom FTE-Rat in den letzten fünf Jahren insgesamt 16,24 Millionen Euro empfohlen. Dazu kamen Mittel der einzelnen Ressorts. Die Initiative setzt den Hebel quer durch alle Lebens- und Lernphasen von Frauen im Wissenschaftsbetrieb und in der Wirtschaft an. Mit dem Geld werden Förderungen vergeben, Vernetzungsaktivitäten gesetzt, Mentoring-Programme initiiert und Begleitforschungen finanziert. Medial versuchte man, die bereits erfolgreich in Forschung und Technik tätigen Frauen sichtbarer zu machen und zur öffentlichen Sensibilisierung für das Thema beizutragen.
->   FFORTE
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FWF: Mehr Einreichungen von Frauen
Und wie sieht es bei der konkreten Forschungsförderung aus? Auch bei den Förderungen des Wissenschaftsfonds FWF zeigt die Frauenkurve eindeutig nach oben: In den Jahren 2005 und 2006 wurden erstmals über zwanzig Prozent der Einzelprojekte von Frauen eingereicht.

Zusätzlich zur Projektförderung hat der FWF in den vergangenen Jahren einige spezielle Programme für Nachwuchsforscherinnen und -forscher eingeführt.
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Nur zwei Frauen unter 54 START-Preisträgern
Der START-Preis etwa bringt 1,2 Millionen Euro, dafür bewerben können sich Spitzenwissenschaftler bis 35 Jahre und damit sechs Jahre lang unabhängige Forschung finanzieren.

In den vergangenen elf Jahren gab es 54 START-Preisträger. Allerdings fällt dabei die Geschlechterverteilung wieder besonders extrem aus: Auf 52 Männer kamen bisher nur zwei Frauen.
->   Informationen zum START-Preis
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Kinderwunsch als Hindernis
Wie kann es sein, dass unter den Forschern um die 30 noch zahlreiche Frauen zur Spitze zählen, mit 35 aber nur noch so wenige? Sind diese fünf Jahre, in denen mittlerweile viele Frauen ihren Nachwuchs bekommen, jene "Leaky Pipeline", also undichte Röhre, die Frauenkarrieren verhindert? Und was wäre dagegen zu tun?
Förderungen auf Menschen ohne Kinder zugeschnitten
Inge Schrattenecker und Beatrix Hausner, forschungspolitische Expertinnen der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT), haben vor zwei Jahren vierzig Wissenschaftlerinnen für eine adäquatere forschungspolitische Programmplanung befragt. Das Ergebnis der im Auftrag der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) erstellten Studie: Viele Ausschreibungen gerade in Naturwissenschaft und Technik sind noch nicht auf die Karrierewege von Frauen mit Kindern zugeschnitten, sondern auf stromlinienförmige wissenschaftliche Lebensläufe ohne Unterbrechungen, sprich: auf Männer oder Frauen ohne Kinder.

Mit Karenzpausen ist es schwer, sture Altersgrenzen einzuhalten oder entsprechende Publikationslisten abzuliefern.
Mehr Anerkennung für Teilzeit
Das deckt sich auch mit den Erfahrungen einer der beiden START-Preisträgerinnen, der Rechtswissenschaftlerin Susanne Kalss, die mit dem gewonnenen Preisgeld über Corporate Law an der WU Wien forschte. Der Topwissenschaftlerin, die demnächst zum dritten Mal Mutter wird, gelang es, "die neue berufliche Situation mit einer gewünschten, aber ebenso fordernden Familiensituation zu verbinden". Als Gründe dafür nennt sie Risikofreude sowie "hohes Vertrauen in mich selbst".

Deshalb plädiert Kalss für mehr Toleranz bei Altersklauseln und Fristen, für Kinderbetreuungsgeld beim Forschungsbudget, Sondermittel und Kleinprojekte während der Karenz und generell: die stärkere gesellschaftliche Anerkennung aller Formen temporärer Teilzeit.
"Akademisches Alter" wird berücksichtigt
Das schlägt sich auch in den Förderprogrammen nieder. Seit 2006 wird nun in der FWF-Nachwuchsförderung neben dem biologischen verstärkt auf das "akademische Alter" abgestellt, auch beim START-Preis: Kindererziehungszeiten werden angerechnet und die tatsächliche akademische Erfahrung bei spät Berufenen oder Rückkehrern in die Wissenschaft berechnet.
Zusätzlich gibt es beim FWF auch eigene Frauenprogramme.

Geleitet wird die Abteilung von Barbara Zimmermann, einer Archäologin. Herzstück ist das Hertha-Firnberg-Programm, das sich speziell an weibliche Postdocs bzw. hoch qualifizierte Absolventinnen richtet und mit gut 160.000 Euro für drei Jahre dotiert ist. Ziel der Firnberg-Stellen ist es, die wissenschaftlichen Karrierechancen von Frauen an der Uni zu erhöhen - am Beginn oder beim Wiedereinstieg in die akademische Laufbahn.
Problemfall Universität
Zimmermann, die selbst "Firnbergerin" war, weiß: "Wenn Frauen keine fixe Anstellung bekommen, liegt das unserer Erfahrung nach an den Strukturen an der Universität."

Dort scheint sich tatsächlich auch nach Implementierung des UG 2002, der Autonomie und der Leistungsvereinbarungen nicht überall etwas verändert zu haben. An der größten Hochschule des Landes, der Universität Wien, wurden gemäß dem aktuellsten verfügbaren Tätigkeitsbericht im Jahr 2005 25 neue Professoren berufen. Zwei davon waren Frauen, was eine Quote von acht Prozent macht. Ein Rückschritt.

Klaus Taschwer, Astrid Kuffner, heureka, 9.5.07
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"Heureka", die Wissenschaftsbeilage des "Falter", widmet sich in ihrer aktuellen Ausgabe Österreichs Nachwuchsforschern.
->   Alle Inhalte des aktuellen "heureka"
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->   "She Figures" (Frauen und Wissenschaft, PDF)
Mehr zum Thema in science.ORF.at:
->   Nach wie vor wenige Frauen in der Forschung (5.3.07)
->   Höherer Frauenanteil verändert EDV-Kultur (26.5.06)
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01.01.2010