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Muskelsteuerung: Ohne Strom keine Bewegung  
  Elektrische Ströme sind im menschlichen Körper von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Muskelbewegungen und der Herzschlag etwa sind ohne elektrische Reize nicht möglich. Hannes Todt erklärt im Rahmen der Vortragsreihe "University meets Public", wie die Ionenkanäle funktionieren und wie man sie zur Behandlung von Krankheiten einsetzen könnte.  
Der elektrische Mensch: Die Bedeutung der Bioelektrizität in der Regulation lebenswichtiger Körperfunktionen
Von Hannes Todt

Muskelbewegung, Herzschlag, Denken und Fühlen sind nur einige Körperfunktionen, die durch elektrische Ströme gesteuert werden. Die Erforschung der Regulation unseres Organismus durch elektrische Signale hat in den letzten Jahren einen rapiden Aufschwung genommen.
Ionenkanäle steuern Aktivität
Die elektrische Aktivität aller in der Natur vorkommenden Zellen wird durch kleinste elektrische Bauelemente, so genannte Ionenkanäle gesteuert. Ionenkanäle sind winzige elektrische Schalter, verantwortlich für das Ein- und Ausschalten bestimmter Ströme in der Zelle.

Diese Ströme werden durch spezifische geladene Teilchen, Ionen, getragen (z.B. Natriumionen, Kaliumionen, Calciumionen), wobei jeder Schalter für die Kontrolle eines bestimmten Ionenstroms zuständig ist. Dementsprechend gibt es Natriumkanäle, Kaliumkanäle, Calciumkanäle etc., welche die Leitung der jeweiligen Ströme übernehmen.
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Im Rahmen der Reihe "University Meets Public" wird Hannes Todt am 15.5.2007 zu diesem Thema einen Vortrag in der VHS Wien West halten.
Zeit: 18.00-19.30
->   University meets Public
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Ein- und Ausschalten komplex geregelt
Die Ein- und Ausschaltvorgänge der Ionenkanäle sind äußerst komplex. Viele Kanäle werden durch Moleküle ein- oder ausgeschaltet die an bestimmte Strukturen an der Oberfläche des Kanals binden. Solche Kanäle sind z.B. für die Kontrolle der Muskelbewegung verantwortlich.
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"Curare" hemmt molekularen Schalter
Die Substanz "Curare" im Pfeilgift südamerikanischer Indios hemmt diese molekularen Schalter und führt so zur Lähmung der Skelettmuskulatur. "Curare" war der Ausgangsstoff für die Entwicklung sogenannter "Muskelrelaxantien", die in der modernen Narkosetechnik angewendet werden.
->   Mehr über "Curare" (Wikipedia)
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Moderne Lokalanästhetika aus Kokain entwickelt
Andere Kanäle besitzen einen molekularen "Bauteil" der die elektrische Spannung in der Umgebung des Kanals misst und diesen veranlasst, bei bestimmten Spannungen zu öffnen oder zu schließen. Die Weiterleitung von Signalen über Nerven wird durch diesen Typ von Kanälen gesteuert.

Gehemmt wird der Kanal z. B. durch das Suchtmittel Kokain. Aus dem Kokain wurden die modernen Lokalanästhetika entwickelt, deren Anwendung zur lokalen Betäubung (z.B. beim Zahnarzt) allgemein bekannt ist.
Erkrankungen durch Fehlfunktionen
Eine Vielzahl von Erkrankungen wird durch Fehlfunktionen von Ionenkanälen verursacht: z.B. bestimmte Rhythmusstörungen des Herzens, einige Formen von Diabetes sowie Krampferkrankungen (Epilepsie).

Neuere Studien legen zudem nahe, dass die Aggressivität bestimmter Krebsarten durch Ionenkanäle in den Krebszellen beeinflusst wird. Auch die Wahrscheinlichkeit des Auftretens bestimmter schwerer Arzneimittelnebenwirkungen kann durch genetisch bestimmte Variationen der Funktion von Ionenkanälen erhöht werden.
Fusion von Biologie und Technik?
Die letzten Jahre brachten enorme Fortschritte in der Aufklärung der molekularer Struktur und der Funktion von Ionenkanälen. Dadurch könnte es in Zukunft möglich werden, gezielt neue Arzneimittel zur Behandlung von Herz- Kreislauferkrankungen, Diabetes, Krebs und vieles anderes zu entwickeln.

Eine weitere Zukunftsperspektive ist die Verwendung dieser Kanäle zur Konstruktion kleinster biologischer Maschinen, die dann zu therapeutischen oder diagnostischen Zwecken in den Menschen implantiert werden können. Die "Kernfusion" von Biologie und Technik ist jedenfalls eingeleitet.

[11.5.07]
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Univ.-Prof. Dr. Hannes Todt forscht und lehrt am Institut für Pharmakologie der Medizinischen Universität Wien.
->   Zum Institut für Pharmakologie
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01.01.2010