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Fruchtfliegen haben überraschend "freien Willen"  
  Selbst ein scheinbar so einfaches Lebewesen wie die Fruchtfliege verfügt deutschen Forschern zufolge über eine Art freien Willen. Die Fliegen seien in der Lage, spontane Entscheidungen zu treffen, denen kein einfacher Ursache-Wirkungs-Mechanismus zu Grunde liege.  
"Selbst Fliegengehirne sind mehr als reine Input-Output-Systeme", schreiben der Computerwissenschaftler Alexander Maye von der Universität Hamburg und sein Team in einer Studie.
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Die Studie "Order in Spontaneous Behavior" ist im Open-Access-Journal "PLoS ONE" (Bd. 2, Nr. 5, Artikel e443; 16.5.07).
->   Die Studie
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Flugprotokolle zeigten klare Struktur
 
Grafik: Björn Brembs

Versuchsanordnung

Die Forscher um den Computerwissenschaftler Alexander Maye von der Universität Hamburg hatten die winzigen Fliegen in weißen Boxen an dünnen Fäden aufgehängt - sie konnten so nicht von äußeren Faktoren beeinflusst werden.

Die Flugmanöver von insgesamt etwa 40 Tieren - nach rechts, nach links, im Kreis - wurden jeweils eine halbe Stunde lang aufgezeichnet und mit einem ausgeklügelten Rechenprogramm analysiert.

Das Ergebnis: Statt der erwarteten zufälligen Verteilung ließen die "Flugprotokolle" eine klare Struktur erkennen. Das Gehirn der Fliegen müsse also eine Funktion beinhalten, die es ihnen ermögliche, spontan und ohne äußere Ursache ihren Flug zu variieren, schreiben die Forscher.
->   Video einer fixierten Fliege (youtube)
"Nicht zufällige Spontaneität"
Zur Prüfung ließen die Wissenschaftler in immer komplexeren Computer-Modellen mögliche Zufalls-Flugbahnen berechnen - kamen aber nie auf ein Ergebnis, das der Realität ähnelte.

Sie wiesen damit erstmals nach, dass Abweichungen im Verhalten von Drosophila melanogaster nicht zufällig sein können, sondern auf spontane Entscheidungen zurück gehen müssen.

"Ich hätte niemals vermutet, dass einfache Fliegen, die in anderen Situationen immer wieder gegen das selbe Fenster knallen, die Fähigkeit zu nicht zufälliger Spontaneität besitzen", schreibt Maye in dem Magazin.
Keine bloßen Roboter
Zuvor seien abweichende Reaktionen von Wissenschaftlern meist als statistische Zufallsfehler interpretiert worden.

"Tiere und vor allem Insekten werden für gewöhnlich als komplexe Roboter angesehen, die lediglich auf äußere Reize reagieren", zitiert "PLoS" den Mitautor Björn Brembs von der Freien Universität Berlin.

Der nun entdeckte Mechanismus sei wahrscheinlich auch bei anderen Tieren zu finden. Im Überschwang verglichen die Forscher das Phänomen in einer Presseaussendung zu der Studie mit dem "freien Willen" der Menschen.
Suche nach verantwortlichen Genen
Nun müssten die genetischen Grundlagen der spontanen Entscheidungen ergründet werden, schreiben die Forscher.

Diese könnten möglicherweise zur Entwicklung von Robotern führen, die sich eigenen spontanen Ideen folgend verhalten. Zudem lasse sich so vielleicht mehr über die Ursachen von Krankheiten wie Depressionen oder Schizophrenie heraus finden.

[science.ORF.at/APA/dpa, 16.5.07]
->   Mehr über die Studie (Björn Brembs)
->   Alexander Maye
->   Freier Wille (Wikipedia)
 
 
 
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01.01.2010