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Frühe Justiz: Gleiche Verbrechen, andere Strafen  
  Die Frage, wie Straftäter bestraft werden sollen, hat die Forschung schon in der Vergangenheit beschäftigt. Archäologen tragen dabei eine Menge zur Erhellung früherer strafrechtlicher Praktiken bei.  
So zeugen zeitgenössische Texte und Bilder, aber auch ehemalige Hinrichtungsplätze von früheren Methoden der Bestrafung. Die Zahl dieser Stätten wird in Deutschland auf bis zu tausend geschätzt.

Heute finden sich Überreste von Prangern, an die Verurteilte zur öffentlichen Demütigung gekettet wurden, Richtschwerter, eiserne Fesseln und Skelette von Hingerichteten, die man beim Richtplatz verscharrte. Auch über die Art der Hinrichtung geben die Funde Aufschluss.
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"Fehlschläge" machten Guillotine interessant
Manchmal zeigen die Spuren auch grausige Details: Unter den gefundenen Skeletten, die zeigen, dass ein einziger Schwerthieb nicht immer genügte, ist das der 1861 im schweizerischen Langnau wegen Raubmords hingerichteten 43-jährigen Verena Wyssler. Der erste Hieb lag zu tief, traf den ersten Brustwirbel und blieb darin stecken. Der zweite durchtrennte dann die Halswirbelsäule.

Da selbst erfahrene Scharfrichter nicht vor solchen Fehlschlägen gefeit waren, ging man im 19. Jahrhundert vielerorts zur Guillotine als Tötungsinstrument über.
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Richtplätze in der Nähe von Siedlungen
Die Richtplätze früherer Tage befanden sich selten in direkter Nähe von Siedlungen. Um aber mit den weithin sichtbaren Galgen abschreckende Wirkung zu erzielen und möglichst vielen Menschen die Macht der Gerichtsbarkeit vor Augen zu führen, wurden sie häufig an überregionalen Straßen angelegt.
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Von frühen strafrechtlichen Praktiken berichtet die Zeitschrift "Archäologie in Deutschland" in ihrer aktuellen Ausgabe.
->   Zur Zeitschrift
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Wohlhabende meist vor körperlicher Strafe sicher
Der österreichische Historiker Heinrich Fichtenau (1912-2000) hat in seinem Werk "Lebensordnungen des 10. Jahrhunderts" eindrücklich beschrieben, dass es durchaus Unterschiede in der Behandlung gab - ein aktuelles, kritisch diskutiertes Thema. So war die Oberschicht im Mittelalter vor Körperstrafen und Hinrichtung im Normalfall sicher.

Wohlhabende kamen mit Geldbußen davon. Für dem "kleinen Mann" konnte sich strafmildernd auswirken, dass sein Herr seine Arbeitskraft weiter benötigte und der Delinquent mit einer Prügelstrafe davon kam.
Anderer Umgang mit Delikten
Erstaunliches hat der Historiker Peter Schuster von der Universität Bielefeld erforscht. In seiner Studie "Täter, Opfer und Herrschaft im spätmittelalterlichen Konstanz" zeigte er, dass "ein Markt für den sexuellen Verkehr mit Kindern existierte".

Allerdings war der Umgang damit damals ein anderer: In Straßburg stand auf Geschlechtsverkehr mit einem körperlich noch unreifen Mädchen die Prügelstrafe und die Ausweisung aus der Stadt - für das Kind.

[science.ORF.at/APA/dpa, 16.5.07]
->   Mehr über Heinrich Fichtenau (Wikipedia)
->   Universität Bielefeld
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01.01.2010