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Historiker: Globalisierung "keine Einbahnstraße"  
  Globalisierung wird in Europa meist als Entwicklung der vergangenen 100 Jahre dargestellt. Diese Geschichte der Globalisierung ist eurozentristisch und zu kurz, meint der deutscher Historiker Sebastian Conrad.  
Er wurde für seine Projekte zur Geschichte der Globalisierung von der Philip-Morris-Stiftung ausgezeichnet.
Neuer Hype um alten Hut
Globalisierung, Vereinheitlichung und weltweite Vernetzung sind als Phänomene nicht so neu, wie die Schlagwörter glauben machen: Rindfleisch aus Argentinien und Butter aus Neuseeland waren bereits vor dem Ersten Weltkrieg in Europa erhältlich.

Und 90 Jahre vor Christoph Kolumbus lenkte der chinesische Admiral Zheng He eine Flotte in den Pazifik, in den Nahen Osten und bis nach Afrika und brachte Edelsteine, Zebras, Elefanten nach China zurück.
Keine Einbahnstraße von West nach Ost
Das Beispiel des Chinesen Zheng He zeigt auch, dass die Verflechtung der Welt keine Einbahnstraße von West nach Ost ist. In der von europäischen Historikern geprägten Geschichtswissenschaft ist die globale Sichtweise des Kultur- und Güter-Austauschs kaum vertreten, meint sinngemäß der Historiker Sebastian Conrad vom Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin.

Der junge Historiker will erreichen, dass an Universitäten und Schulen ein anderes Geschichtsbild gelehrt wird, bei dem Europa bewusst nicht als Ausgangspunkt aller moderner Kulturentwicklung gesehen wird, heißt es anlässlich des Philip-Morris-Forschungspreises, den Conrad (neben drei weiteren deutschen Wissenschaftern erhalten hat). Stattdessen sollte laut Conrad nachgespürt werden, in welcher Weise europäische und außereuropäische Welt seit langem miteinander verwoben sind.
->   Philip-Morris-Forschungspreise 2007 vergeben (16.1.07)
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Persönliche Globalisierung
Dem Historiker Conrad kommt dabei auch seine persönliche Geschichte entgegen: Geboren in Heidelberg, Schule in Neu Delhi, Studium in Osaka, Forschung in Tokio, Professur in Berlin.
->   Lebenslauf (Freie Universität Berlin)
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"Europäischer Tunnelblick"
Sebastian Conrad auf Radio Österreich 1:

"Die nationalgeschichtliche Verengung: das ist wie eine Art Tunnelblick, der andere Faktoren, andere Akteure, andere Perspektiven ausblendet. Das heißt, was wir brauchen ist - man könnte fast sagen - eine Art GPS für eine globalisierte Welt, die unsere Welt kartografiert, unterschiedliche Strömungen zurückverfolgt.

Denn nur das ermöglicht uns eine Orientierung in eine Gegenwart, die eben nicht mehr nach den Mustern einer biploar geteilten Welt des kalten Krieges funktioniert, die nicht mehr einfach als ein Austausch von Nationalstaaten funktioniert. Sondern deren Faktoren vielfältig sind und häufig nicht mehr einfach zu fassen."

Barbara Daser, Ö1 Wissenschaft, 18.5.07
->   Philip-Morris-Stiftung
->   Mehr zum Stichwort Globalisierung im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010