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Körpergröße als Maß für Lebensbedingungen  
  Amerikaner sind im Schnitt einige Zentimeter kleiner als Europäer. Obwohl die USA eines der reichsten Länder der Erde sind, hinken sie in Körpergröße und Lebenserwartung hinter anderen Industrienationen her.  
Die Körpergröße ist ein wichtiger Indikator für die Lebensbedingungen eines Menschen in der Kindheit. Räumliche und sozioökonomische Unterschiede beeinflussen ihre Entwicklungen.

Der Wirtschaftswissenschaftler John Komlos und sein Kollege Benjamin E.Lauderale sind bei der Analyse von Daten der US-amerikanischen Bundesbehörde "National Center for Heath Statistics" aus mehreren Jahrzehnten auf die erheblichen Unterschiede der Köpergrößeentwicklung in Amerika und Europa gestoßen, wie die Ludwig-Maximillians-Universität München in einer Presseaussendung mitteilt.
US-Amerikaner früher größer als Europäer
Laut den Forschern überragten die Amerikaner seit der Kolonialzeit die anderen Populationen und zwar sogar bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Mittlerweile aber sind sie kleiner als die meisten West- und Nordeuropäer, obwohl sie nach offiziellen Zahlen an Reichtum gewonnen haben.

Im Schnitt liegen sie sogar sechs Zentimeter unter den Spitzenreitern, den Holländern, was eine fast exakte Umkehrung der Verhältnisse zur Mitte des 19. Jahrhunderts ist. Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen der durchschnittlichen Körpergröße einer Bevölkerung und ihren biologischen Lebensbedingungen.

Zwei umfassende Datensätze zwischen den Jahren 1959 und 2002 eröffnete den Wissenschaftlern die Möglichkeit einer detaillierten Analyse. Diese zeigte, dass die Körpergröße der weißen Amerikaner seit den 50er Jahren stagniert, bestenfalls minimal angestiegen ist. Bei den schwarzen Amerikanern dagegen hat die Körpergröße vor allem bei den Männern zwar zugenommen, aber nur bis zu den Werten der weißen Zeitgenossen.
Gesundheitssysteme und Sicherheit lassen Europäer wachsen
Der bereits bekannte Zusammenhang zwischen Einkommen und Körpergröße blieb über die Jahrzehnte hinweg weitgehend konstant: Wer mehr verdient, versorgt in der Regel auch seine Kinder besser, die dann ihr physisches Potential maximal ausschöpfen können.

Und das ist die Grundvoraussetzung: Die Lebensbedingungen in Kindheit und Jugend spiegeln sich später in der Körpergröße des Erwachsenen wider. "Wir vermuten deshalb, dass die Gesundheitssysteme und die hohe soziale Sicherheit der Europäer günstigere Bedingungen für Heranwachsende schaffen als das amerikanische Gesundheitssystem, obwohl dieses die Bevölkerung doppelt soviel kostet", so Komlos. Die Ernährung von amerikanischen und europäischen Kindern wurde dabei noch nicht direkt verglichen.
Sozioökonomische und räumliche Unterschiede
Ein weiterer wichtiger Faktor sind wohl auch die großen sozioökonomischen Unterschiede zwischen den amerikanischen Bevölkerungsschichten. Denn Populationen weisen eine umso geringere durchschnittliche Körpergröße auf, je größer die Ungleichheit in der Bevölkerung ist - auch in Bezug auf Zugang zur Ausbildung, was sich dann in Einkommensunterschieden niederschlägt.

Auch die Gesundheitssysteme sind weitgehend verschieden. So leben etwa 15 Prozent der US-Population ohne medizinische Versorgung, medizinische Versicherung und deshalb mit mangelhafter Absicherung, während in weiten Teilen Europas ein Minimum an Schutz für die gesamte Bevölkerung garantiert ist.

Ähnliches gilt für die Arbeitslosenversicherung. Anders als in den USA steht sie fast der gesamten Bevölkerung in Nord- und Westeuropa zur Verfügung, wodurch auch der Lebensstandard der davon abhängigen Kinder gesichert ist.

Auch räumliche Unterschiede in den Lebensumständen spielen eine Rolle: In amerikanischen Städten gibt es Viertel mit außerordentlich schlechten Lebensbedingungen, ohne ausreichende Hygiene oder medizinische Versorgung - auch und gerade der Säuglinge und Kinder.
Längenwachstum nimmt wieder zu
Vermutlich führen all diese und weitere Faktoren dazu, dass die USA als eines der reichsten Länder der Erde an Körpergröße und Lebenserwartung hinter anderen Industrienationen herhinkt. Die Reichsten sind laut Komlos weder die Größten noch die Gesündesten.

In einer weiteren Studie stellte Komlos allerdings fest, dass die Stagnation der Körpergröße vorüber zu sein scheint. Zumindest das Längenwachstum von Kindern ist in den letzten Jahren wieder gestiegen. Das verstärkte Wachstum bei den Erwachsenen wird vermutlich mit ein paar Jahren Verzögerung folgen.

[science.ORF.at/idw, 21.5.07]
->   Ludwig-Maximillians-Universität München
->   Perfekter Körper wird immer mehr zur Illusion (29.1.04)
 
 
 
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01.01.2010