News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 
Quantenkommunikation: Wieder Rekorddistanz  
  Österreichische Physiker um Anton Zeilinger haben die Distanz, über die die Verschränkung von Lichtteilchen nachweisbar bleibt, wieder einmal erhöht. Bei einem Experiment zwischen den kanarischen Inseln La Palma und Teneriffa wurde eine Strecke von 144 Kilometern überwunden - zehn Mal weiter als je zuvor gemessen.  
Was sie schon in einer einfacheren Variante im Jänner bewiesen haben, ist den Teams um Anton Zeilinger von der Universität Wien und Harald Weinfurter vom MPQ Garching nun in einer Version gelungen, die einmal die abhörsichere Übertragung von Nachrichten im globalen Maßstab ermöglichen soll.

Voraussetzung dafür sind erfolgreiche Experimente im Weltraum, die frühestens 2012 beginnen könnten.
...
Die Studie "Entanglement-based quantum communication over 144km" ist als Online-Vorabpublikation in "Nature Physics" (3.6.07; DOI 10.1038/nphys629) erschienen.
->   Abstract der Studie
...
Bekanntes Phänomen ...
Der quantenmechanische Effekt der Verschränkung ist schon lange bekannt: Zwei Lichtteilchen bleiben über theoretisch beliebige Distanzen wie durch Zauberhand miteinander verbunden.

Bestimmt man etwa die Polarisation (Schwingungsebene des Lichts) des einen Teilchens, kennt man augenblicklich auch den Zustand des anderen Teilchens.
... schwierig auf Distanz zu realisieren
Das ist in vielen Experimenten untersucht worden, dennoch blieb es eine große technische Herausforderung, den Effekt über sehr große Distanzen zu realisieren.

Denn auf dem Weg durch die Atmosphäre wechselwirken die Lichtteilchen mit Atomen und Molekülen, was eine Kommunikation via Verschränkung erschwert.

Im aktuellen Experiment konnte jedoch eine hohe Verschränkungsqualität der Partnerteilchen nachgewiesen werden, heißt es in einer Aussendung.
Von der Donauinsel auf die Kanaren
Vor einigen Jahren übertrugen die Forscher verschränkte Teilchen via Glasfaserkabeln - was die Distanzen naturgemäß einschränkte. 2003 gelang dies Zeilinger und Kollegen auf der Wiener Donauinsel erstmals in der Luft, die Photonenpaare wurden mittels einer Laserdiode erzeugt und mit Hilfe von Teleskopen übertragen.

Mit einer ähnlichen Versuchsanordnung bauten sie die Strecke 2005 auf acht Kilometer quer durch das Wiener Stadtgebiet aus. Und nun sind die Forscher auf den kanarischen Inseln angekommen.

Bereits im Jänner dieses Jahres berichteten sie von einem erfolgreichen Verschränkungsversuch zwischen den kanarischen Inseln - eine Art Vorstufe zu dem aktuellen Experiment, wie es Rupert Ursin vom Forscherteam gegenüber science.ORF.at erklärte.
...
Die entsprechende Studie "Experimental Demonstration of Free-Space Decoy-State Quantum Key Distribution over 144 km" ist in den "Physical Review Letters" (Bd. 98, 010504; Jänner 2007) erschienen.
->   Abstract der Studie
...
144 Kilometer zwischen La Palma und Teneriffa
 
Grafik: Rupert Ursin

Die verschränkten Photonen wurden nun am Roque de los Muchachos Observatorium auf der Kanarischen Insel La Palma produziert. Eines der Photonen wurde über ein Teleskop auf seine 144 km lange Reise durch die Luft zur Nachbarinsel Teneriffa geschickt, wo die optische Bodenstation der Europäischen Weltraumorganisation ESA auf 2400 Meter Meereshöhe als Empfänger diente.

Das Schwester-Photon wurde lokal in La Palma gemessen, wobei die Messergebnisse der Polarisation der beiden Photonen miteinander verglichen wurden. Sobald die Messung der Polarisation an einem Photon stattfand, zeigte die Messung am Partnerteilchen dasselbe Ergebnis.

Mittels dieser Eigenschaft konnte ein geheimer Schlüssel ausgetauscht werden, den nur der rechtmäßige Sender und Empfänger kennen und daher zur abhörsicheren Kommunikation untereinander verwenden könnten.
...
Verschränkung
Verschränkte Lichtteilchen können z.B. mit Hilfe eines Laserstrahls in einem speziellen Kristall erzeugt werden. Wenn nun die Schwingungsrichtungen (Polarisation) der beiden Teilchen gemessen werden, findet man, dass die Messergebnisse voneinander abhängen. Die Situation kann verglichen werden mit einem Spiel mit zwei Würfeln. Ohne Verschränkung zeigen sie nach einem Wurf unabhängig voneinander zufällige Augenzahlen. Bei quantenmechanisch verschränkten Würfeln hingegen zeigen sie immer die gleiche Augenzahl, gleichgültig wie weit sie voneinander getrennt werden. Welche Augenzahl das ist, bleibt aber weiterhin zufällig.
->   Quantenverschränkung (Wikipedia)
...
Hat Schrödinger bald auch im Weltall recht?
Der Begriff der Verschränkung ist von Erwin Schrödinger geprägt worden, laut Theorie soll sie in unendlich weiter Entfernung wirken. "Zumindest bis zu einer Entfernung von 144 Kilometer hat Schrödinger recht, wie wir mit unserer neuen Rekorddistanz gezeigt haben", freut sich Rupert Ursin.

Im nächsten Schritt soll nun das Weltall für die Quantenkommunikation erobert werden. Als Partner der ESA sind Experimente an Bord der Internationalen Raumstation ISS geplant.

Den Bau geeigneter Werkzeuge vorausgesetzt, könnte frühestens 2012 die Verschränkung von Photonen zwischen einer Bodenstation und der ISS gemessen werden. Die neue Rekordmarke könnte dann bei rund 2.000 Kilometer liegen, schätzt Rupert Ursin.

[science.ORF.at, 4.6.07]
->   www.quantum.at
->   Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI)
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Quantenphysiker peilen Weltall als Labor an (12.3.07)
->   Quantenphysik: Wellencharakter verschwindet bei Hitze (19.2.04)
->   Schrödingers Katze im "Spiegel" der Quantentheorie (9.10.02)
->   Neuer Rekord in der Quantenkommunikation (12.1.05)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010