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Studie: Sprachtickets bringen nichts  
  Die als Reaktion auf die schlechten PISA-Ergebnisse im Schuljahr 2005/06 eingeführten "Sprachtickets" für angehende Taferlklassler mit Sprachschwierigkeiten haben ihr Ziel verfehlt. Das zeigt eine im Auftrag der Arbeiterkammer (AK) erstellte Studie des Projektzentrums für Vergleichende Bildungsforschung an der Uni Salzburg.  
Demnach machte es kaum einen Unterschied, ob das Ticket, eine Art Gutschein für 120 Stunden Sprachförderung über rund vier Monate, eingelöst wurde oder nicht. Johanna Ettl, stellvertretende Direktorin der AK Wien, sprach bei einer Pressekonferenz am Dienstag daher von einem "durchschlagenden Misserfolg".
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Kinder mit Problemen erhalten Sprachticket
Im Zuge der von Ex-Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) eingeführten Sprachtickets wurde die Schuleinschreibung für Taferlklassler vom Frühjahr vor Schuleintritt auf den Herbst vorverlegt. Damit verbunden ist eine Sprachstandsfeststellung durch den Volksschul-Direktor: Falls dieser prognostiziert, dass das Kind dem Unterricht voraussichtlich nicht folgen kann, empfiehlt er entsprechende Fördermaßnahmen, die in der Regel im Kindergarten erfolgen und 120 Stunden umfassen.

Die Eltern erhalten dafür ein Sprachticket, das vom Bund mit 80 Euro gefördert wird. Insgesamt werden pro Jahr rund 9.000 Tickets ausgegeben, von denen etwa 7.000 eingelöst werden.
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350 Erstklassler getestet
Laut der Studie der Uni Salzburg war die Maßnahme allerdings sinnlos: Bei einem Test wurde der Sprachstand von 350 Erstklasslern aus Oberösterreich, Salzburg und Wien analysiert, die dafür in drei Gruppen eingeteilt wurden:

Kinder mit Sprachschwierigkeiten, deren Eltern das Ticket einlösten; Kinder mit Sprachschwierigkeiten, deren Eltern das Ticket nicht einlösten, sowie Kinder, bei denen keine Sprachschwierigkeiten festgestellt wurden (und die daher gar kein Ticket bekamen). Rund 95 Prozent aller Getesteten wiesen einen Migrationshintergrund auf.
Kein besseres Sprachverständnis
Bei dem Verfahren konnten insgesamt 36 Punkte erreicht werden: Während Kinder ohne Sprachticket durchschnittlich 24,8 Punkte erreichten, kamen Kinder mit eingelöstem Ticket auf 18 Punkte und Kinder mit nicht eingelöstem Ticket auf 19,5 Punkte. Mehr als 20 Punkte erreichte nur jeweils die Hälfte der Kinder mit Ticket bzw. 88 Prozent der Vergleichsgruppe (Kinder, die kein Ticket bekamen). Besonders große Probleme hatten Kinder türkischer Herkunft.
Forderung nach Modifikationen
Die Studie empfiehlt daher einerseits eine Modifikation des Sprachticket-Modells: Die Fördermaßnahmen sollten auf mindestens sechs Monate ausgedehnt werden sowie eine Absprache bei der Ticketvergabe zwischen Kindergarten und Volksschulen stattfindet.

Außerdem müsse es Fortbildungsmodule für Kindergartenpädagogen geben. Bestimmte Probleme blieben jedoch auch in dieser Variante bestehen: So werde etwa auf Grund der Freiwilligkeit ein Teil der Eltern das Angebot weiter nicht annehmen.
Mittelfristig: Verpflichtendes Vorschuljahr
Als Alternative wird daher unter anderem eine mehrjährige Förderung der Kinder im Kindergarten vorgeschlagen. Für diesen müsse außerdem ein bundesweiter Bildungsplan entwickelt werden.

Die AK schließt sich den Forderungen der Studie an und fordert zudem eine Ausbildung von Kindergartenpädagogen auf Hochschulniveau. Mittelfristig verlangt die AK ein gebührenfreies, verpflichtendes Vorschuljahr für alle - dabei dürfe es "nicht passieren, dass sich Bund und Länder gegenseitig den Finanzierungsball zuschieben", so Ettl.

[science.ORF.at/APA, 5.6.07]
->   Arbeiterkammer Wien
->   Projektzentrum für Vergleichende Bildungsforschung (Uni Salzburg)
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01.01.2010