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Uni Wien: Kein Plagiatsverfahren gegen Hahn  
  Die Universität Wien wird kein Verfahren zur Plagiatsprüfung gegen Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) einleiten. Hahn war "schlampiges Zitieren" in seiner Dissertation vorgeworfen worden.  
Nach Klärung des Sachverhalts und Einholung einer Stellungnahme der Ombudsstelle der Universität Zürich als vergleichbarer externer Institution bestehe seitens der Studienpräses Brigitte Kopp dazu kein Anlass, hieß es in einer Aussendung der Uni am Montag.

"Ich habe nichts anderes erwartet", lautete die erste Reaktion von Hahn am Rande seines Besuchs beim Europäischen Forschungszentrum CERN bei Genf.
Plagiatsjäger machte auf Fall aufmerksam
Der Medienwissenschaftler und "Plagiatsjäger" Stefan Weber hatte Hahn vorgeworfen, in seiner an der Uni Wien eingereichten Dissertation ("Perspektiven der Philosophie heute - dargestellt am Phänomen Stadt") "seitenweise" aus Leopold Kohrs einige Jahre zuvor erschienenem Buch "Die überentwickelten Nationen" "abgeschrieben" und "absolut schlampig gearbeitet" zu haben.

Den Begriff "Plagiat" hatte er dabei aber "bewusst nicht in den Mund genommen".
Entscheidung auf Basis eines Urteils der Uni Zürich
Die für Fragestellungen der guten wissenschaftlichen Praxis zuständige Ombudsstelle der Universität Zürich habe den Fall anhand folgender Plagiatsdefinition erörtert, so die Uni Wien:

Plagiat bedeute demnach "im bildungssprachlichen Sinn das unrechtmäßige Aneignen von Gedanken, Ideen oder ähnlichem eines anderen auf künstlerischem oder wissenschaftlichem Gebiet und ihre Veröffentlichung".
"Mehrfach auf Original verwiesen"
In diesem Sinne kann nach Ansicht der Uni Zürich nicht von einem Plagiat gesprochen werden: Hahn habe "explizit den Debattenbeitrag Kohrs herausgegriffen, mehrfach auf das Original verwiesen und dann seine Kommentare dazu auch optisch davon abgehoben".

Zwar hätte der spätere Minister "selbstverständlich in diesen Passagen korrekterweise überall Anführungszeichen setzen müssen" - der Leser komme jedoch "nie auf die Idee, die verhandelten Sachen seien das Resultat der Forschung von Hahn". Dies wäre "zwar ein redliches, aber nicht leserfreundliches kompliziertes Verfahren gewesen".
Keine Verschleierung
Ansonsten werde Kohr "mehrfach lege artis zitiert", heißt es in der Stellungnahme. Man könne "festhalten, dass Hahn nirgends verschleiern wollte, dass er über Kohr spricht".

Für den Leser wäre "immer klar, dass Hahn von Kohr spricht und wo er Kohrs Wortlaut finden kann".
Studienpräses: Es gibt immer Grauzone
Generell sei die Untersuchung von Plagiatsfällen nicht einfach, meinte Studienpräses Brigitte Kopp. "Es ist nicht immer total schwarz oder total weiß, es gibt natürlich auch eine Grauzone."

Deshalb sei die Einbindung von Fachkollegen aus anderen Universitäten so wichtig - sie selbst könne wissenschaftliche Arbeiten aus anderen Wissenschaftsgebieten nicht beurteilen.
Vier Aberkennungen in zweieinhalb Jahren
In ihren rund 2,5 Jahren als Studienpräses seien bisher vier Verfahren mit der Aberkennung eines akademischen Titels abgeschlossen worden, betonte Kopp. Drei bis vier würden noch laufen.

Dies betreffe aber nur die Untersuchung bereits fertiger wissenschaftlicher Arbeiten. Öfter komme der Betreuer schon im Vorfeld drauf, dass der Student plagiiert habe. Auch dies betreffe aber nur einen geringen Prozentsatz bei insgesamt ca. 5.000 Dissertationen und Diplomarbeiten pro Jahr an der Uni Wien.
Alle Arbeiten werden heutzutage elektronisch geprüft
Die Sachgutachter prüfen bei einem Plagiatsverdacht laut Kopp nach verschiedenen Kriterien - etwa, ob der Autor auf andere Artikel Bezug genommen habe oder nicht, ob er zitiere und auf geistiges Eigentum anderer eingehe oder Textpassagen übernehme, ohne in der eigenen Arbeit darauf hinzuweisen und diese so als eigene geistige Leistung ausgebe.

Mittlerweile müssen alle Arbeiten elektronisch abgegeben werden und werden mittels einer eigenen Software auf einen möglichen Plagiatsverdacht überprüft.

[science.ORF.at/APA, 11.6.07]
->   Aussendung der Uni Wien zum Thema
->   Studienpräses, Uni Wien
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Uni Wien prüft Hahn-Dissertation (1.6.07)
->   Plagiatsjäger Weber greift Wissenschaftsminister an (24.5.07)
 
 
 
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01.01.2010