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Klimawandel bedroht Kulturdenkmäler  
  Seit Jahrhunderten trotzen Kulturgüter in Europa erfolgreich Bränden, Erdbeben und Plünderungen. Jetzt drohen den Denkmälern - vom Kolosseum bis zur Westminster Abbey - ernsthafte Schäden durch den Klimawandel.  
Häufigere Regenfälle in Nordeuropa könnten einer Studie zufolge alte Steine Schicht um Schicht wegspülen, während steigende Temperaturen in Süd- und Mitteleuropa zu Rissen und einem Abplatzen von Materialien führen könnten.
"Atlas der Verwundbarkeit" hergestellt
Klimatologen, Chemiker, Geologen und Biologen aus sieben europäischen Ländern untersuchten über drei Jahre hinweg die Auswirkungen des Wetters auf Marmor, Kalkstein, Holz und andere alte Baumaterialien.

"Wir mussten dieses Problem auf den Tisch bringen, weil es politisch bisher ignoriert wurde", sagt Cristina Sabbioni, die Koordinatorin der Untersuchung. Die Wissenschaftler erarbeiteten einen "Atlas der Verwundbarkeit", in dessen Karten besonders wegen globaler Erwärmung gefährdete Regionen eingezeichnet sind.

Berücksichtigt wurden dabei neben einer Zunahme von Stürmen und Überschwemmungen auch Korrosion, die beispielsweise Salzkristalle an mittelalterlichen Kirchenfenstern anrichten können.
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Die Studie wurde vor kurzem bei einem Meeting der Partner des Projekts "Noah's Ark. Global Climate Change Impact on Built Heritage and Cultural Landscapes" in Rom präsentiert.
->   Noah's Ark
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Salz gefährdet gotische Kathedralen
Weniger Luftfeuchtigkeit in den Sommermonaten werde unter anderem in Frankreich und Nordspanien dazu führen, dass sich mehr Salz auf den zunehmend brüchigen Denkmälern ablagere, heißt es in der Studie.

Besonders gefährdet sind demnach gotische Kathedralen, deren Fassaden mit Figuren und Ornamenten aus weichem, porösem Stein geschmückt sind. Dieses Material absorbiert besonders gut in der Luft enthaltenes Salz.
Ästhetisches und materielles Problem
Sobald die Feuchtigkeit verdunstet, kristallisiert das Salz und übt Druck auf den umgebenden Stein aus, wie Sabbioni erläutert.

"Lagert sich das Salz an der Oberfläche ab, ist ein ästhetischer Schaden die Folge, und das ist ein dramatisches Problem für Fresken", warnt die Physikerin der Nationalen Forschungsförderung in Rom. Werde das Salz dagegen tiefer in den Stein absorbiert, werde das Material von innen heraus zerstört.
Schmutzschicht durch Luftverschmutzung
Fällt im Süden Europas weniger Regen, müssen die Behörden mehr Geld in die Reinigung von Monumenten investieren, heißt es in der Studie weiter: Anders lässt sich die schwarze Schicht, mit der sie infolge der Luftverschmutzung häufig überzogen sind, nicht entfernen.

Wenn in Nordeuropa dagegen die Niederschläge zunehmen, könnte bei alten Steinen über die Jahre hinweg eine immer dickere Schicht unwiederbringlich abgewaschen werden.
Denkmäler leiden unter Temperaturschwankungen
Bild: EPA
Kolosseum
Aus Marmor und Kalkstein erbaute Gebäude wie das Kolosseum in Rom oder der Parthenon in Athen dürften außerdem unter stärkeren Temperaturschwankungen leiden. Der dadurch hervorgerufene ständige Wechsel zwischen Ausdehnen und Zusammenziehen hat bei den empfindlichen Materialien Risse und Absplitterungen zur Folge.

Vor allem Denkmäler in Mitteleuropa, Südspanien und Griechenland dürften wegen der erwarteten steigenden Temperaturen und Trockenheit davon betroffen sein.

Sorgen machen sich die Experten aber auch um vergleichsweise junge Bauwerke wie den Eiffelturm: Dem 1889 fertig gestellten eisernen Wahrzeichen von Paris droht durch warmes Wetter und Schadstoffe in der Luft Korrosion.
"Gemäßigt optimistisches" Klimamodell verwendet
Sabbioni zufolge könnten die Folgen der Erderwärmung für die kulturellen Schätze Europas sogar noch schlimmer sein als in der Studie angenommen:

Die beteiligten Wissenschaftler hätten ihren Berechnungen nämlich ein "gemäßigt optimistisches" Klimamodell zu Grunde gelegt, das zwar aus einer Reihe der vom UN-Klimarat (IPCC) verwendeten Modelle ausgewählt worden sei, aber nicht dessen schlimmsten Befürchtungen entspreche.
Europa wird Bauwerke verlieren
Einen Kostenrahmen für den Kampf gegen die Folgen des Klimawandels für kulturelle Denkmäler enthält die Studie nicht. Letzten Endes müsse sich Europa aber darauf einstellen, einen Teil der Bauwerke zu verlieren.

"Es müssen Prioritäten gesetzt werden", sagt Sabbioni. "Wir können nicht hoffen, dass alles für immer fortdauert."

Ariel David/AP, 18.6.06
->   Internationales Zentrum für Studien zur Erhaltung und Restaurierung des kulturellen Erbes
 
 
 
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01.01.2010