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Innsbruck: Neues Zentrum für Kinderheilkunde  
  Bis zu drei Viertel der Medikamente, die schwer kranken Kindern verschrieben werden, sind laut Uni-Klinik Innsbruck nur an Erwachsenen getestet worden. So obliegen Dosierung und Risikoabschätzung der Nebenwirkungen meist dem Arzt bzw. seiner Erfahrung.  
Um Fachärzte besser zu vernetzen, kindgerechte Therapien zu standardisieren und gemeinsam mit anderen Kinderkliniken Studien durchzuführen, hat Innsbruck das "Kompetenzzentrum für pädiatrische Studien" eingerichtet.
Dosis fecit?
Kleiner Organismus - kleinere Dosierung? Mitnichten! So einfach können Medikamente von Erwachsenen nicht auf Kinder umgelegt werden.

Arzneimittel wirken anders - Stoffwechsel und Hormonsystem entwickeln sich ja erst, sagt Lothar Zimmerhackl Leiter der Pädiatrie I der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde an der Medizinischen Universität Innsbruck.

Man denke an die Pubertät oder an Frühgeborene, schildert Zimmerhackl das Dilemma auf Ö1: "Wir können nicht an Frühgeborenen testen - wir müssen aber gewisse Medikamente einsetzen, damit diese Patienten überleben."

Bei Kindern müssen laut Zimmerhackl beispielsweise Medikamente häufiger gegeben werden, weil sie vom Stoffwechsel schneller umgesetzt werden.
Einzel"versuche" statt Beipackzettel
Derzeit könne ein Arzt ein nicht für Kinder zugelassenes Medikament laut Gesetz als "individuellen Heilversuch" einsetzen - die Zustimmung der Eltern reicht, so Zimmerhackl, eine offizielle oder behördliche Genehmigung sei nicht notwendig.

An der Kinder-Uni-Klinik Innsbruck werde in solchen Fällen aber zusätzlich die lokale Ethikkommission befasst.
Keine "Kinderkrankheiten"
Was Klinkleiter Lothar Zimmerhackl sorgt, sind nicht Hustensaft, Wundsalbe oder Fieberzäpfchen, sondern schwere Medikamente wie beispielsweise bei einer Transplantation oder Krebs:

"Solche Medikamente wurden in der Vergangenheit nicht notwendigerweise bei Kindern untersucht. Wir sind der Meinung, um die Gefahr der Nebenwirkungen so niedrig wie möglich zu halten, muss das kontrolliert passieren. D.H. die Alternative, dass jeder an einem Patient untersucht, ist für mich die zweitbeste Variante. Die bessere Variante wäre, das in einer kontrollierten, überschaubaren, zugelassenen und überprüften Umgebung durchzuführen."
Kinderkliniken vernetzen sich
Mit der im Jänner in Kraft getretenen Europäischen Verordnung über Kinder-Arzneimittel soll die Situation verbessert werden. Und mit dem morgen Dienstag eröffneten "Kompetenzzentrum für pädiatrische Studien" knüpft Innsbruck nun am Netzwerk mit sechs Kliniken aus Deutschland mit. Schweizer Spitäler wollen sich anschließen.

Man will sich austauschen und gemeinsam Studien durchführen, damit nicht jeder Arzt für sich und jeden einzelnen Patienten Erfahrungen sammeln muss.

Finanziert wird das Innsbrucker Kompetenzzentrum derzeit von der Medizinischen Universität Innsbruck sowie von Pharmaunternehmen. Doch Zimmerhackl strebt statt des Geldes aus der Industrie Unterstützung mit öffentlichen Geldern an.

Barbara Daser, Ö1 Wissenschaft, 18.6.07
->   Koordinierungszentrum für Klinische Studien (KKS)
->   Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde Innsbruck
->   Europäische Verordnung über Kinderarzneimittel
->   Europäische Arzneimittelagentur (EMEA)
 
 
 
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01.01.2010