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Freiwillige Kooperation funktioniert besser  
  Immer wieder stellen sich Evolutionsforscher die Frage, warum Menschen zum Großteil fair zu einander sind, obwohl eigennütziges Handeln jedenfalls kurzfristig Vorteile schafft. In spieltheoretischen Simulationen haben Forscher nun herausgefunden, dass der Faktor "Freiwilligkeit" beim Zusammenspiel einer kleinen Gruppe von Menschen offenbar eine wichtige Rolle spielt.  
An der nun veröffentlichen Studie waren unter anderem Karl Sigmund (Uni Wien), Martin A. Nowak (Harvard University) und Hannelore Brandt (WU Wien) beteiligt.
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"Via Freedom to Coercion: The Emergence of Costly Punishment" von C. Hauert et al. erschien in "Science" (Bd. 316, S. 1905; doi: 10.1126/science.1141588).
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Spiel: Geldvermehrung für alle
Ausgangspunkt der Studie war - wie meist in der Spieltheorie - ein relativ einfaches Spiel mit genau festgelegten Regeln. Dieses Spiel sollte Aspekte des menschlichen Zusammenlebens widerspiegeln und wurde mehrmals in Varianten durchgespielt. Das lieferte Aufschlüsse über die evolutionäre Entwicklung von bestimmten Verhaltensweisen.

Im konkreten Fall waren die Regeln des Ausgangsspieles folgende: Sechs Personen konnten je einen Euro an eine Art Spielleiter einzahlen und erhielten anschießend eine verdreifachte Summe ausgezahlt. Wenn alle einzahlen, so gab es letztendlich drei Euro für jeden.
Trittbrettfahrer schneiden besser ab
Interessant wird die Sache durch die Regel, dass auch jene Spieler am gemeinsamen Gewinn beteiligt sind, die keinen Euro eingezahlt haben. Wenn sich ein Spieler derart unkooperativ zeigt, so erhalten alle sechs die verdreifachte Summe der fünf Einzahler, also 2,50 Euro. Nachdem der Verweigerer seinen ursprünglichen Euro behält, hat er also einen höheren Gewinn.
Kooperation bricht ohne Strafe zusammen
"Das Endergebnis ist allerdings nach einigen Runden, dass niemand mehr einzahlt und gar kein Gewinn mehr entsteht", erklärte Sigmund gegenüber der APA. Das ändert sich erst, wenn die Mitspieler die Möglichkeit erhalten, Ausbeuter in irgendeiner Form zu bestrafen.

Dann funktioniert die Sache wieder, und die Spieler verhalten sich erstaunlich kooperativ, wie die Forscher feststellten. Wenn alle bereit sind zu bestrafen, gibt es so gut wie keine Ausbeutung.
Wie entsteht ein stabiles Sanktionssystem?
In der Folge interessierte die Wissenschaftler die Bereitschaft der Einzelnen, andere zu bestrafen. Wer vorprescht und ohne Unterstützung der anderen als erster einen Ausbeuter bestraft, geht nämlich ein Risiko ein.

Bestrafen kostet etwas, der Bestrafte könnte beispielsweise zurück schlagen, auch das kann simuliert werden. Ist das Spiel derart modifiziert worden, so entwickeln sich die Spieler rasch zu Duckmäusern, keiner macht den ersten Schritt zu einer Bestrafung eines Schmarotzers.
"Freiheit schafft Ordnung"
Erst wenn die Spieler die Möglichkeit bekommen, das Spiel einfach zu verlassen oder gar nicht mitzuspielen, ändert sich die Sache wieder. "Durch die Freiwilligkeit steigt die Bereitschaft zum Engagement, auch wenn das für den Einzelnen einen gewissen Aufwand oder ein Risiko bedeutet", sagte Sigmund.

Die Kooperation am Spieltisch beginnt als Folge wieder zu funktionieren. Oder mit anderen Worten ausgedrückt: "Freiheit schafft Ordnung."

Bestätigt wurden die Simulationsergebnisse indirekt durch deutsche Wissenschaftler mit realen Personen. Diese waren mit ähnlichen Spielregeln konfrontiert: mehrere Spieler, Einzahlung, Verteilung einer vervielfachten Summe an alle.

Gefragt, ob sie das Spiel mit oder ohne Bestrafung durchführen wollten, stimmten die meisten Spieler zu Beginn für "ohne". "Nach spätestens sechs Runden änderten die Spieler ihre Meinungen", berichtete Sigmund. Durch die freiwillige Wahl der Möglichkeit einer Bestrafung funktionierte die Sache wesentlich besser.

[science.ORF.at/APA, 28.6.07]
->   Karl Sigmund - Uni Wien
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01.01.2010