News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit .  Leben 
 
Infizierte Zellen erstmals von HI-Virus befreit  
  Forschern ist es im Labor erstmals gelungen, die Gene des HI-Virus mit Hilfe eines neuartigen Enzyms aus menschlichen Zellen herauszuschneiden. Das neue Verfahren könnte später in der AIDS-Therapie eingesetzt werden.  
"Die infizierte Zelle wird geheilt", sagte Joachim Hauber vom Hamburger Heinrich-Pette-Institut für Experimentelle Virologie und Immunologie. "Wir wurden das Virus in den Zellen wieder los, das hat bisher noch keiner geschafft. Das ist ein biotechnologischer Durchbruch."
...
"HIV-1 Proviral DNA Excision Using an Evolved Recombinase" von I. Sarkar erschien in "Science" (Bd. 316, S. 1912; doi: 10.1126/science.1145015).
->   Zum Abstract
...
Nächster Schritt: Tierversuche
Bisher galt eine Infektion mit HIV als unumkehrbar. Der Erreger gehört zu den Retroviren, die ihre Erbsubstanz fest in die DNA der infizierten menschlichen Zellen einfügen. Haubers Angaben zufolge besteht jetzt die vorsichtige Hoffnung, innerhalb von zehn Jahren eine Therapie für Menschen zu entwickeln.

Als nächster Schritt stehen dreijährige Tierversuche mit Mäusen auf dem Programm. Anschließend müssten umfangreiche Patientenstudien in Hamburg begonnen werden. Ein Erfolg sei nicht garantiert, aber: "Ich bin von Grund auf Optimist", sagte Hauber.
Das Werkzeug: Molekül-Scheren
Die Wissenschaftler nutzten für ihre Arbeit eine Eigenschaft bestimmter natürlicher Enzyme, Rekombinasen genannt. Wie eine Schere durchschneiden solche Proteine den DNA-Strang an bestimmten Stellen und setzen ihn neu zusammen.

Eine Rekombinase erkennt dabei jeweils eine Abfolge in den Bausteinen der DNA - und setzt genau dort an. Die Erbsubstanz des HI-Virus ist an ihren beiden Enden von zwei identischen, genau bekannten Sequenzen eingegrenzt, die sich auch bei Mutationen kaum verändern. An diesen Endstellen setzen Frank Buchholz und seine Kollegen in Dresden daher ihre molekulare Schere an.
Infektion rückgängig machen
 
Grafik: Max-Planck-Gesellschaft

Bei einer HI-Infektion schleust sich das Virus in das Erbgut der Zellen ein (links). Rechts wird der HIV-Teil aus der DNA herausgeschnitten, die Infektion wird also rückgängig gemacht.
Natürliches Enzym an Virus angepasst
Die natürlich vorkommende Rekombinase namens Cre erkennt eine Gensequenz, die dem HIV-Erbgut bereits ähnlich ist. Um sie für den gewünschten neuen Zweck anzupassen, musste das Enzym in einer über 120 Rekombinase-Generationen dauernden Evolution verändert werden.

So gelang es den Molekularbiologen, aus der Rekombinase Cre die verwandte Rekombinase Tre zu "züchten". Diese greift exakt die Endsequenzen des HI-Virus an. "Das ausgeschnittene Erbgut wird dann von der Zelle abgebaut", sagt Hauber. "Der Zelle geht es wieder gut."
Therapieansatz: Stammzellen von Virus befreien
Sollte die Methode zu einer Therapie entwickelt werden können, wäre eine - wenngleich aufwendige - Behandlung möglich. Nach Haubers Angaben müssten aus dem Blut der Patienten Stammzellen gewonnen und im Labor von den Viren befreit werden. Die so behandelten Zellen könnten nach der Rückübertragung auf den Patienten für eine Regeneration seines Immunsystems sorgen.

Obwohl auf diese Weise wahrscheinlich nicht alle HI-Viren aus dem Körper entfernt werden könnten, erwartet Hauber einen so starken Rückgang der Virenzahl, dass die Infektion unter Kontrolle bleibt. "Das ist High-Tech-Medizin, die kann man nicht in Pillenform verabreichen." Sollten sich bei Mutationen des HI-Virus auch dessen Endsequenzen verändern, könnten auch die Rekombinasen schnell angepasst werden, ergänzte Buchholz. Man verfüge dann über eine ganze Reihe verschiedener Enzyme, die schnell neu kombiniert oder weiterentwickelt werden können.
Gegenwärtige Therapien heilen nicht
Im Vergleich zu den Kosten der bisher üblichen hochaktiven anti-retroviralen Therapie, die leicht 15.000 Euro im Jahr betragen können, wäre eine solche heilende Behandlung deutlich preiswerter.

Angesichts wieder stark steigender HIV-Infektionszahlen gerade bei jungen Menschen betont Hauber, dass die verfügbaren Behandlungen AIDS keineswegs zu einer normalen Krankheit machen. "Es gibt schwere Nebenwirkungen." 2006 erkrankten in Österreich 48 Menschen an AIDS. Es gab zehn Todesopfer. Versuche, einen Impfstoff zu finden, waren bisher nicht erfolgreich.

[science.ORF.atAPA/dpa, 29.6.07]
->   Mehr über Rekombinase (Wikipedia.de)
->   Heinrich-Pette-Institut
->   Mehr zum Stichwort AIDS im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit .  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010