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"Quote und Qualität sind kein Widerspruch"  
  Christa Kranzl, Staatssekretärin für Forschung und Innovation, spricht mit Oliver Lehmann und Erika Müller vom Magazin "at.venture" über den Faktor Schwangerschaft, die Hürde Fremdenrecht und Arbeitsberechtigungen für Asyl suchende Forscher.  
at.venture: Warum gibt es einen eklatanten Unterschied zwischen dem Anteil von Frauen in der industriellen Forschung (12,6 Prozent) und in der außeruniversitären Forschung (21,4 Prozent)?

Kranzl: Das Interesse jedes Unternehmers liegt natürlich in maximalen Anwesenheitszeiten seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dazu kommt das Alter: Junge Forscher, junge Wissenschafter sind gefragt. Die Komponente "Frau kann ja auch schwanger werden, kann Kinder bekommen, kann mir ausfallen", gibt dann Männern von Haus aus den Vorzug. In naturwissenschaftlich-technischen Bereichen spielt noch ein weiteres Vorurteil eine Rolle: Man traut Frauen bestimmte Qualifikationen einfach noch nicht zu. Man darf natürlich keine Pauschalurteile abgeben. Ich lobe jene Unternehmen, die Frauen beschäftigen. Aber grundsätzlich muss man einmal in einen Betrieb hineinkommen. Anscheinend ist es auch schwierig für Frauen, an den allgemeinen Forschungs- und Technologieförderprogrammen des BMVIT teilzunehmen. Im Programm Kplus liegt der Frauenanteil bei 20 Prozent, bei den thematischen Programmen bei 14 Prozent.
Wäre es nicht angebracht, eine Minimalquote für Forscherinnen einzuführen?

Kranzl: Wir kommen nicht darum herum, in gewissen Bereichen Quoten festzulegen. Sonst wären wir Frauen manchmal noch gar nicht dort, wo wir schon sind. Man muss sich die Gründe für diese Unterrepräsentanz bei den Programmen genau anschauen. Unter Umständen brauchen wir tatsächlich eine Mindestquote. Wenn 90 Prozent an einer bestimmten Einrichtung Männer sind, sollte es in diesen Bereichen auch Überlegungen über eine Quote geben. Wir dürfen aber die Qualität nicht vernachlässigen. Ich meine aber, Qualität und Quote sind kein Widerspruch. Das Argument, dass Quoten-Frauen keine Qualität erbringen, wird ja meist von Männern geäußert.
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Die Langversion des Interviews mit Staatssekretärin Christa Kranzl ist in der neuen Ausgabe des Magazins "at.venture" nachzulesen, die am 4. Juli 2007 erscheint.
->   Mehr über "at.venture"
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In Fragen der Mobilität spielt das Fremdenrecht eine große Rolle. Österreich wird ja dafür kritisiert, dass es extrem restriktiv vorgeht, auch bei Forschern. Da gehen auch viele Frauen verloren.

Kranzl: Sie haben Recht. Ich trete ganz offen für eine Novellierung des Fremdenrechts ein. Erstens, weil eine Vereinfachungen des Verwaltungsverfahrens für alle Beteiligten sinnvoll ist. Derzeit muss der ausländische nach Ablauf eines Jahres den Befreiungsantrag neu stellen. Ich plädiere dafür: Hat der Forscher eine Arbeitsgenehmigung für fünf Jahre, dann soll diese Ausnahmegenehmigung auch für fünf Jahre gelten. Das sollte doch möglich sein. Zweitens: Die Regelung muss auf die Angehörigen ausgeweitet werden. Es gibt Partner, vielleicht Kinder, mitunter auch erwachsene Kinder, die auch einen Beruf ausüben wollen. Auch denen müssen die Möglichkeiten für ein legales Erwerbseinkommen eingeräumt werden. Das ist im derzeitigen österreichischen Recht nicht der Fall. Wenn das nicht geändert wird, brauchen wir uns keine großen Hoffnungen zu machen, ausländische Forscher vermehrt für den österreichischen Standort zu begeistern. Wir können noch so viel Geld für Forschung ausgeben, aber wir brauchen Firmen, die Projekte abwickeln. Und wir brauchen Menschen, die diese Projekte dann umsetzen.
Bekommen Sie in dieser Frage genügend Unterstützung von Ihrem unmittelbaren Ansprechpartner in der Regierung, Wissenschaftsminister Hahn?

Kranzl: Der Wissenschaftsminister agiert in dieser Frage sehr verhalten. Ich hätte mir in dieser Frage ein entschiedeneres Auftreten erwartet. Er meint zwar auch, dass es durchaus Vereinfachungen geben soll - da ist er übrigens auch mit dem Innenminister im Einklang. In der Kompetenz des Innenministers liegt ja auch die Novellierung. Aber ich als Staatssekretärin für Forschung und zuständig für Forschungseinrichtungen muss diese Probleme aufzeigen. Es geht ja schließlich um Spitzenkräfte, um ihr Know-how, das in den Unternehmen eingesetzt wird. Das ist wichtig für den Beschäftigungsstandort Österreich.
Auch unter Asylwerberinnen und Asylwerbern gibt es hochqualifizierte Akademiker und Akademikerinnen, die während der Dauer ihres Antragsverfahrens bislang in Österreich nicht tätig werden dürfen. Sollte man dieses Potenzial nicht auch zu Gunsten des Forschungsstandorts nutzen?

Kranzl: Ich persönlich vertrete die Ansicht, anstatt Saisonniers - egal ob im Facharbeitsbereich oder in der Pflege - nach Österreich zu holen, das Potenzial in Österreich zu nutzen. Das Problem ist, wenn der Asylbescheid negativ ist.
Sie meinen aber, dass es das Risiko wert wäre?

Kranzl: Es muss objektiv geprüft werden, unter Einbeziehung sämtlicher Kosten. Wenn es in speziellen Fällen einen Bedarf gibt, dann könnte man überlegen, befristete Arbeitsverhältnisse für asylsuchende, qualifizierte Menschen zu schaffen.

[2.7.07]
->   Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie
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01.01.2010