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Science-Fiction: Freund oder Feind der Wissenschaft?  
  Die Zeit der erdachten Reisen über mehrere Dimensionen hinweg, der Raumschiffe und Atomwaffen scheint vorerst vorüber, die Ära der gemeinen Mikroorganismen hingegen angebrochen - zumindest in der Science-Fiction. Wie vier Biologen, die selbst fantastische Abenteuergeschichten verfassen, das Genre sehen und warum sie von der "Jurassic Park"-Generation sprechen, diskutierten sie in "Nature".  
Dabei zeigte sich deutlich: Mit dem populären Science-Fiction-Autor Michael Crichton möchten Ken Macleod, Joan Slonczewski, Paul McAuley und Peter Watts nicht in Verbindung gebracht werden. Aber nicht, weil sie Angst hätten, am allzu Banalen anzustreifen, sondern weil Science-Fiction ihrer Meinung nach die Liebe zur Wissenschaft voraussetzt - was bei Crichton nicht gegeben sei.
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Die vier Autoren mit Biologie-Background diskutierten unter dem Titel "The biologists strike back" in "Nature" (doi:10.1038/448018a).
->   Nature
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Fantasie für Wissenschaft nötig
"Es fällt immer schwerer, Big Science und Science-Fiction auseinander zu halten", brachte schon der Schriftsteller Hans-Magnus Enzensberger im Essay "Die Elixiere der Wissenschaft" eine spannende Entwicklung auf den Punkt:

Forschung tastet sich besonders in den Fächern Biotechnologie, Hirnforschung, Informationstechnik und Materialwissenschaft in Dimensionen vor, von denen sich sowohl die Wissenschaftler selbst als auch die Öffentlichkeit nur mehr mit einiger Fantasie ein Bild machen können.
Verschwimmende Grenzen
Der Boom der Science-Fiction geht Hand in Hand mit der Entwicklung der Wissen(schaft)sgesellschaft: Immer mehr Wissen bedeutet immer weniger Sicherheit, immer mehr Detailkenntnis immer weniger Überblick. Wissenschaftliches Wissen durchdringt alle Bereiche der Gesellschaft, wird immer mehr Teil des Alltags.

Damit einher gehen Sensationen, medienwirksame Bedrohungsszenarien und Verheißungen, Fälschungen und selbst Attacken von Fanatikern und Enttäuschten - die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen immer mehr.
Science Fiction lehrt Wissenschaft?
Welche Rolle kann die Science-Fiction als Genre in diesem Prozess spielen? Peter Watts, selbst Meeresbiologe und Schriftsteller ("Rifters", "Blindsight"), sieht eine überraschend seriöse Bedeutung: Bücher wie etwa "Galapagos" von Kurt Vonnegut lehren Wissenschaft, in diesem Fall die Abgrenzungen zwischen Wissenschaft und Religion sowie die Evolution.

Sogar schlechte Science-Fiction sei besser als gar keine, stimmt die Mikrobiologin Joan Slonczewski ("Brain Plague") zu: Michael Crichtons "Jurassic Park" über das Klonen von Dinosauriern sei voller Fehler, aber dennoch habe es viele Jugendliche zu einem Studium der Molekularbiologie motiviert. An ihrem College werde diese Gruppe sogar als "Jurassic Park"-Generation bezeichnet.
Kontext für Diskussionen
Science-Fiction würde manchmal einen Rahmen für Diskussionen über tatsächliche Entwicklungen in der Wissenschaft bieten: "Stellen Sie sich vor, Dolly (das erste geklonte Tier, Anm. d. Red.) passiert, und es gebe keinen Kontext durch die Science-Fiction, wo würden Sie zu diskutieren beginnen, was eigentlich passiert ist?" fragt Slonczewski in der "Nature"-Diskussion. Es habe schon eine Grundlage von ethischen Bedenken, ausgelöst durch Sci-Fi-Szenarien, gegeben, auf denen man habe aufbauen können.
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Michael Crichton
Obwohl einer der Erfolgreichsten seines Fachs, haben die in "Nature" zitierten Autoren keine Freude mit Michael Crichton: Und zwar nicht wegen Fehlern in seinen Büchern, sondern weil seine Einstellung wissenschaftsfeindlich sei. Paul McAuley (Schriftsteller, "Players"): "Ich glaube, dass Wissenschaft an sich etwas Gutes ist, Crichton meint wahrscheinlich das Gegenteil".
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Anwälte oder Begleiter des Fortschritts?
Umstritten ist die Frage, ob Science-Fiction Werbung für den wissenschaftlichen Fortschritt machen soll. Während Paul McAuley sich und die Vertreter seines Genres lieber als Anhänger des Wandels und Fortschritts sieht, rät Ken Macleod ("The Execution Channel") zu Zurückhaltung: Nicht die Anwälte des Fortschritts seien die Autoren, sondern die Begleiter.

Elke Ziegler, science.ORF.at, 11.7.07
->   Ausstellung "Science + Fiction"
->   Blog von Ken Macleod
->   Paul McAuley
->   Joan Slonczewski (Kenyon College)
->   Peter Watts
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   "Blade Runner": Mythologie des Blicks im Science-Fiction-Klassiker (22.5.06)
->   Beunruhigend: 13 Rätsel der Wissenschaft (18.3.05)
->   Science-Fiction - Träumerei oder Realität? (29.8.02)
 
 
 
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01.01.2010