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Umstrittene Rehabilitation der Hormonersatztherapie  
  Durch die Hormonersatztherapie steigt das Risiko für Brustkrebs, Schlaganfall und Herzinfarkt, so bisherige Studien. Eine neue Untersuchung behauptet nun, dass die Pillen manchmal sogar gut für das Herz sind.  
Die Geschichte der Hormonersatztherapie war bisher wechselhaft und widersprüchlich: Jahrzehntelang nahmen Millionen Frauen weltweit Hormonpräparate ein, um Beschwerden der Wechseljahre wie etwa Hitzewallungen und Schlafstörungen zu lindern. Vor fünf Jahren zeigte eine US-Studie, dass die Hormonersatztherapie das Risiko für Brustkrebs, Schlaganfall und Herzinfarkt erhöhen kann.

In der neuen Analyse heißt es aber nun, dass Östrogen im Vergleich zu wirkungslosen Scheinpräparaten Frauen vor Ablagerungen in den Blutgefäßen schützen kann.
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Die Studie "Estrogen Therapy and Coronary-Artery Calcification" von JoAnn Manson wurde im "New England Journal of Medicine" veröffentlicht (Band 356, S. 2591-2602).
->   Zum Abstract
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Scharfer Kontrast zu früheren Studien
Die Studie weist darauf hin, dass Frauen, die zu Beginn der Menopause Östrogen nehmen, sich damit nicht nur vor lästigen Hitzewallungen schützen, sondern mitunter auch vor gravierenden Herzproblemen.

Diese Erkenntnis steht in scharfem Kontrast zu dem früheren Befund, demzufolge Frauen über 60 Jahren mit der Einnahme von Hormonen ihrem Herzen schaden.
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Keine Änderung der Empfehlungen
Die derzeitigen medizinischen Empfehlungen gelten unverändert weiter. Hormone sollten nur bei Bedarf gegen Beschwerden zu Beginn der Wechseljahre genommen werden. Und zwar in der geringsten wirksamen Dosis über einen möglichst kurzen Zeitraum und keinesfalls länger als vier bis fünf Jahre.
->   Hormonersatz: Einigung auf Empfehlungen (9.12.03)
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Mehrere Studien zu erhöhten Risiken
Die Daten der neuen Untersuchung stammen aus der großen Women's Health Studie, die schon früher weltweit Aufsehen erregte: Ein Arm der Studie wurde 2002 vorzeitig abgebrochen, als sich zeigte, dass die Kombination von Östrogen und Gestagen das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall, Brustkrebs und andere Krankheiten erhöht.

Ein weiterer Teil der Untersuchung wurde 2004 gestoppt, weil Östrogen allein zwar nicht die Gefahr für Herzinfarkt oder Brustkrebs steigerte, aber das Schlaganfall- und Thromboserisiko.
Jetzt Auswirkungen auf jüngere Frauen überprüft
Seitdem zerlegen Epidemiologen die Datenfülle der riesigen Sammelstudie scheibchenweise auf der Suche nach weiteren Erkenntnissen. Die weitaus meisten Frauen waren zu Beginn der Sammelstudie zwischen 60 und 80 Jahre alt. Neue Untersuchungen prüfen nun, wie sich die Hormongabe auf jüngere Frauen auswirkte.

Dabei halten es Mediziner durchaus für möglich, dass Östrogen vor verstopften Blutgefäßen und Herzerkrankungen schützt sofern es genommen wird, bevor Probleme entstehen und bevor die natürlichen Östrogenwerte längere Zeit zu gering waren. Bei Frauen mit fortgeschrittener Arteriosklerose kann das Hormon dagegen Herzinfarkte auslösen.
Plaquebildung gebremst
In der neuen Studie werteten die Mediziner um JoAnn Manson von der Universität Harvard die Daten von mehr als 1.000 Frauen zwischen 50 und 60 Jahren aus, denen die Gebärmutter entfernt worden war. Die Frauen nahmen sieben Jahre lang entweder Östrogen oder aber ein Placebo.

Im Jahr 2005 wurden sie dann auf Kalziumablagerungen in den Blutgefäßen untersucht. Resultat: Die Frauen waren im Vergleich zur Placebo-Gruppe um 30 bis 40 Prozent weniger gefährdet, Kalziumablagerungen an denjenigen Gefäßen zu entwickeln, die zum Herzen führen. "Das scheint den Prozess der Plaquebildung zu bremsen", folgert Manson.
Unterschiedliche Interpretationen
Die festgestellte Schutzwirkung von Östrogen interpretieren Experten nun unterschiedlich: Howard Hodis von der Universität von Südkalifornien feiert das Resultat als Beleg dafür, dass Frauen Östrogen über Jahrzehnte bedenkenlos einnehmen können, sofern sie nur frühzeitig damit beginnen. Allerdings: Hodis berät den Pharmakonzern Wyeth, der Hormonpräparate verkauft.

Der unabhängige Forscher Jacques Rossouw dagegen tut Hodis' Haltung als "Wunschdenken" ab. Und Nanette Wenger von der Emory Universität in Atlanta, spezialisiert auf Herzerkrankungen bei Frauen, betont, dass dauerhafter Hormongebrauch in jedem Fall die Risiken für Schlaganfall und Thrombose erhöht.
Generell geringes Risiko
Generell ist das Risiko von Frauen zwischen 50 und 60 Jahren für schwere Herzprobleme gering. Auf der Basis früherer Studien schätzt Manson, dass in dieser Altersgruppe pro Jahr etwa 27 von 10.000 Frauen einen Infarkt erleiden. Östrogen könnte diesen Wert auf 17 senken.

Aber die beste Prävention gegen einen Herzinfarkt sind nicht Hormone, sondern laut Wenger gesunde Ernährung, Bewegung und Nichtrauchen. Manson stimmt zu: "Östrogen hat andere Risiken und sollte zur Behandlung menopausaler Symptome in der niedrigsten Dosis für eine möglichst kurze Dauer genommen werden."

[science.ORF.at/APA/AP, 13.7.07]
->   Alle Beiträge zum Stichwort "Hormonersatz" im science.ORF.at-Archiv
->   JoAnn Manson
 
 
 
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01.01.2010