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Mehr Motivation durch kleine Geschenke  
  Wer seine Mitarbeiter zu größerer Leistung anspornen möchte, sollte ihnen hin und wieder etwas schenken. Forscher erklären das Ergebnis ihrer nun veröffentlichten Studie mit einem sehr menschlichen Wesenszug: "Wem Gutes widerfährt, der versucht sich zu bedanken".  
Für das Experiment zahlte eine kanadische Firma ihren Arbeitern einen einmaligen Bonus - und zwar unabhängig von der zuvor erbrachten Leistung. Am Tag des Geldgeschenks erhöhte sich die Produktivität der Mitarbeiter um mehr als zehn Prozent. Je länger ein Mitarbeiter schon bei der Firma beschäftigt war, desto länger entfaltete die Gratifikation eine positive Wirkung. Die Kosten des Geschenks sollten jedoch unter dem zu erwartenden Produktivitätsschubs bleiben.
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"Reziprokes Handeln"
Dass Menschen dazu tendieren, Geschenke zu erwidern, machen sich beispielsweise viele Hilfsorganisationen zu Nutze: Sie legen ihren Spendenaufrufen häufig Postkarten, kleine Kalender oder Christbaumschmuck bei. Die (geringen) Kosten dafür sind gut investiert - bereits bei vier Postkarten kann sich das Spendenaufkommen um mehr als die Hälfte erhöhen.

Ökonomen sprechen von "reziprokem Handeln": Menschen erwidern freundliches oder faires Verhalten, auch wenn das für sie mit Kosten verbunden ist.
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Wie ich dir, so du mir - auch in der Arbeitswelt?
Nur wenige Studien beleuchteten bisher die Frage, ob reziprokes Verhalten auch im Arbeitsleben eine Rolle spielt. Wie reagieren die Mitarbeiter, wenn der Chef ihnen unerwartet - und völlig unabhängig von der zuvor erbrachten Leistung - einen Bonus auszahlt? Versuchen sie, das Geschenk zu erwidern, indem sie sich am Arbeitsplatz mehr ins Zeug legen?

Dieser Frage sind Charles Bellemare und Bruce S. Shearer von der Universität Laval im kanadischen Quebec nachgegangen. Beide Wissenschaftler sind als Forschungspartner des Instituts zur Zukunft der Arbeit in Bonn.
In Aufforstungsbetrieb untersucht
Für ihr Experiment kooperierten die Wissenschaftler mit einem kanadischen Aufforstungsbetrieb. Die Beschäftigten erhalten dort keinen Fixlohn, sondern werden nach der Menge der von ihnen gepflanzten Bäume bezahlt. In der Regel erhalten sie 20 Cent pro Baum; in unwegsamem Gelände ist es entsprechend mehr. Bei täglich rund 1.000 gepflanzten Bäumen pro Arbeiter beträgt der durchschnittliche Tageslohn also etwa 200 Dollar.
Zehn Prozent mehr Bäume gepflanzt
In dem Experiment kündigte der Manager seinen Mitarbeitern zu Beginn eines Arbeitstages einen einmaligen Bonus von 80 Dollar an, den die Firma zahle, um die Beschäftigten an einem attraktiven Aufforstungsvertrag partizipieren zu lassen. Die so großzügig Beschenkten pflanzten daraufhin an diesem Tag gut zehn Prozent mehr Bäume.

"Diese deutliche Produktivitätssteigerung ist besonders bemerkenswert, weil ein Akkordlohn ohnehin schon einen starken Leistungsanreiz darstellt", erläutert Bellemare. "Es gibt also Grund zu der Annahme, dass der Effekt bei einem Fixlohn noch höher wäre."
Effekt bei langjährigen Mitarbeitern stärker
Auch am Folgetag pflanzten die beschenkten Arbeiter mehr Bäume als sonst; der Effekt fiel aber - insgesamt gesehen - nur noch gering aus. Allerdings hielt die positive Wirkung bei Beschäftigten, die schon seit vielen Jahren für das Unternehmen tätig waren, nachweislich länger an.

Hier fühlt sich der Mitarbeiter offenbar der Firma stärker verbunden, so dass das reziproke Verhalten deswegen stärker ausfällt. Dieses Ergebnis passt zu den Resultaten anderer Studien, denen zufolge Geschenke an Mitarbeiter bei sehr kurzfristigen Arbeitsverhältnissen keine positive Wirkung auf die Leistung haben.
Kosten sollten unterhalb Produktivitätsschub bleiben
Das Experiment der Wissenschaftler zeigt zudem, dass wirklich schlau nur der Chef ist, der seine Mitarbeiter nicht zu großzügig beschenkt. Denn im Fall des kanadischen Aufforstungsbetriebs ging die Rechnung letztlich doch nicht auf: Der zu hohe Bonus sorgte für ein Verlustgeschäft. Aus rein ökonomischer Sicht ist ein Geschenk als Leistungsanreiz für Mitarbeiter also nur dann sinnvoll, wenn sich die Kosten unterhalb des zu erwartenden Produktivitätsschubs bewegen.

[science.ORF.at/idw, 19.7.07]
->   Volltext der Studie
->   Charles Bellemare
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01.01.2010