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Sportwissenschaftler: "Doping macht abhängig"  
  "Doping macht abhängig" - das sagt Fritz Sörgel, ein deutscher Sportwissenschaftler. Eine Harvard-Studie habe belegt, dass zehn Prozent der Anabolika-Konsumenten später von harten Drogen abhängig werden.  
Abhängigkeit und Realitätsverlust erklärten das oft unverständliche Handeln ertappter Sportler. Fritz Sörgel vom Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung in Nürnberg hält den gesamten Sport für Doping-verseucht: "Wenn man die Dopingfälle weltweit verfolgt, wie ich das tue, dann muss man einfach sehen, dass praktisch alle Sportarten auf ihre Weise in Doping-Affären verwickelt sind."
"Auch in anderen Sportarten viele Sünder"
Eine intensive Kontrolle wie im Radsport habe in anderen Sportarten bisher nicht stattgefunden. Deshalb sei zu vermuten, "dass auch in anderen Sportarten bei genauerer Kontrolle viele Sünder entlarvt werden würden", sagte Sörgel am Donnerstag in einem Wortlaut-Interview mit der Deutschen Presse-Agentur dpa.

Sörgel ist allerdings nicht davon überzeugt, dass der Sport wirklich ernsthaft bemüht ist, Doping zu verhindern. Von den Verbänden könne man nicht erwarten, dass sie in erster Linie dazu da seien, Doping zu bekämpfen.

"Und ich nehme keinem der führenden Sportfunktionäre ab, wirklich Doping verhindern zu wollen", sagte der Wissenschaftler. Umso wichtiger sei deshalb eine wirklich unabhängige Anti-Doping-Agentur.
Realitätsverlust durch Drogen
Der Sportwissenschaftler machte deutlich, dass zum Beispiel Testosteron-Doping nicht nur zu Muskelaufbau und einer Verbesserung der Regenerationsfähigkeit führe. Tatsächlich würden diese Präparate "auch deswegen eingenommen, weil sie die Leistungsbereitschaft und die Aggressivität im Training wie im Wettkampf deutlich erhöhen". Die Folgen seien unkalkulierbar.

Auch bei Patrik Sinkewitz müsse man "davon ausgehen, dass er den - von Drogen bekannten - Realitätsverlust hatte und einfach wegen seiner Abhängigkeit auch dieses extrem dumme Doping durchführte".

Der Radprofi war wenige Wochen vor dem Start der Tour de France in einer A-Probe positiv auf Testosteron getestet worden.
"Nichts für unmöglich halten"
Was bedeutet das für die laufende Tour? Sörgel: "Wegen der Abhängigkeit der Sportler von diesen Mitteln gilt auch in diesem Tour-Jahr: nichts für unmöglich halten." Nicht zu vernachlässigen seien die vielen Wasserträger der Tour, die wegen ihres Misserfolges ja gar nicht zu Dopingproben anstehen.

Die deutschen Doping-Labore leisten nach Ansicht von Sörgel Hervorragendes. Das Problem liege eher darin, Kontrollen intelligent und überraschend durchzuführen.

Wie jetzt zum Beispiel bei Sinkewitz. Die Zahl der Tests müsse zudem verdreifacht werden. Allerdings sei das System finanziell nicht ausreichend ausgestattet.
Nur einschränken, nicht ausmerzen
Ganz auszumerzen sei Doping nicht, man könne Doping nur bis zu einem gewissen Grad einschränken. Diesen Weg dürfe man jedoch nicht aufgeben. Sörgel: "Ein wirklich enges Netz erkennt einfach sofort den dopenden Sportler an seiner Leistung(s-explosion), seinem Sozialverhalten, dem Umgang mit seiner Umgebung usw."

Sörgel begrüßte zwar den Ausstieg der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender aus der Live-Berichterstattung von der Tour de France, übte aber auch Kritik. "Nach meiner Ansicht wäre es ehrlicher gewesen, die Live-Übertragungen von Anfang an nicht stattfinden zu lassen."

Sinkewitz sei nicht während der laufenden Tour, sondern im Training vorher positiv getestet worden. Er frage sich, ob die öffentlich-rechtlichen Anstalten bei einer Fußball-WM oder Olympia in Peking genauso handeln würden. Dennoch sei der Ausstieg ein Beispiel dafür, was in Zukunft möglich sein könnte.

Richard Janssen, dpa, 19.7.07
->   Doping bei der Tour de France auf sport.ORF.at
->   Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Doping bereits bei Elfjährigen (20.6.07)
->   Blutdoping mit Erythropoietin (EPO) (24.5.07)
->   Experte: Sport-Solidarität hilft gegen Doping (25.8.06)
 
 
 
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01.01.2010