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Mastodon-DNA klärt Verwandtschaft der Elefanten  
  Das Mastodon, ein urzeitliches Rüsseltier, ist vor rund 10.000 Jahren ausgestorben. Eine internationale Forschergruppe konnte nun aus einem 50.000 Jahre alten Zahn die mitochondriale DNA des Tieres gewinnen und sequenzieren. Mit ihrer Hilfe rekonstruierten die Paläontologinnen den Stammbaum der Elefanten.  
Das Ergebnis von Nadin Rohland vom Max-Planck-Institut in Leipzig und Anna-Sapfo Malaspinas von der University of Berkeley: Afrikanische und Asiatische Elefanten gingen vor 7,6 Millionen Jahren getrennte Wege.
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Die Studie "Proboscidean Mitogenomics: Chronology and Mode of Elephant Evolution Using Mastodon as Outgroup" von Rohland, Malaspinas et al. ist im Open-Access-Journal "PLoS Biology" (doi: 0.1371/journal.pbio.0050207; 24.7.2007) online erschienen.
->   PloS Biology
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Mastodon als "Eichmaß" für Elefanten
Das Amerikanische Mastodon bevölkerte bis vor etwa 10.000 Jahren ganz Nordamerika. Obwohl es dem Mammut sehr ähnlich sah, war es mit ihm nur entfernt verwandt. Vor 24 bis 28 Millionen Jahren trennten sich die Mastodonten von den Elephantidae, zu denen das Mammut und die heute noch lebenden Elefanten gehören.

Diese entfernte Verwandtschaft macht die Mastodonten so interessant für Wissenschaftler, die sich mit der Evolution der Elefanten beschäftigen. Denn um die stammesgeschichtliche Entwicklung von Tieren zu rekonstruieren, braucht man als "Eichmaß" eine Gruppe, die sich schon früher abgespalten hat.

Will man also die genetische Verwandtschaft zwischen Menschen und Schimpansen klären, nimmt man zum Beispiel Gorillas als Fremd-Gruppe. Bei den Elefanten ist die Sache nicht so einfach, denn die Elephantidae sind die einzige Familie der Rüsseltiere, die noch nicht ausgestorben ist.
Keine lebenden Verwandten
Die nächsten lebenden Verwandten sind Seekühe und Schliefer, kleine, murmeltierähnliche Pflanzenfresser. Schon die Optik legt den Verdacht nahe, dass der letzte gemeinsame Vorfahre dieser Arten weit zurück liegen muss - tatsächlich sind es etwa 65 Millionen Jahre.

Also musste Mastodonten-DNA herbei. Nadin Rohland und Anna-Sapfo Malaspinas untersuchten die Überreste eines Amerikanischen Mastodons, das im Permafrostboden von Alaska gefunden wurde.

In einem Zahn des Tieres fanden sie, was sie brauchten: die mitochondriale DNA (mtDNA), über 50.000 Jahre alt und konserviert von der Eiseskälte Alaskas.
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Mitochondriale DNA
Die mitochondriale DNA (mtDNA) befindet sich in den Mitochondrien, Zell-Organellen, die für die Energieversorgung zuständig sind. Die mtDNA des Menschen und vieler anderer Säugetiere besteht aus 37 Genen (zum Vergleich: Im Zellkern des Menschen sind ca. 25.000 Gene). Für Evolutionsbiologen ist mtDNA ein Geschenk des Himmels: Sie wird fast nur mütterlicherseits vererbt, außerdem ist ihre Mutationsrate sehr konstant. Deswegen kann man durch den Vergleich der mtDNA bestimmen, wie nah zwei Stämme zeitlich verwandt sind und wann sie den letzten gemeinsamen Vorfahren hatten.
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Vergleich mit Elefanten
Die Sequenzierung der DNA eines Jahrtausende alten, gefrorenen Zahnes ist schon für sich genommen eine bemerkenswerte Leistung. Das Mastodon ist neben dem Wollmammut und dem neuseeländischen Riesenvogel Moa erst die dritte ausgestorbene Tierart, von der die komplette mtDNA bekannt ist.

Die Wissenschaftlerinnen waren damit aber noch nicht am Ende ihres Forschungsinteresses: Sie verglichen die mtDNA des Mastodons mit der von zwei Wollmammuts und jener von heute lebenden Elefanten.
Stammbaum der Rüsseltiere
 
Grafik: PLoS/Rohland

Trennung vor acht Millionen Jahren
Die Untersuchung zeigte, dass der Afrikanische und der Asiatische Elefant sich vor etwa 7,6 Millionen Jahren auseinander entwickelten. Das Mammut entstand später aus dem Asiatischen Elefanten, und zwar vor zirka 6,7 Millionen Jahren.

Die Forscherinnen finden besonders interessant, dass die Trennung von Afrikanischem und Asiatischem Elefanten zur gleichen Zeit statt fand, wie Menschen und Menschenaffen sich auseinander entwickelten.

"Das legt nahe, dass Veränderungen der Umwelt, die vor acht Millionen Jahren begannen, die Artenbildung bei afrikanischen Säugetieren angeregt haben", schreiben Rohland und Malaspinas in ihrer Studie. Damals wurde das Klima trockener und kälter, außerdem schlug der Afrikanische Grabenbruch eine tektonische Bresche quer durch den Kontinent.
Hoffnungsträger mtDNA
Die Erforschung der mtDNA von ausgestorbenen Tieren bleibt ein spannendes Forschungsfeld. Die Forscherinnen glauben, dass die Möglichkeiten dieser Methode noch lange nicht ausgeschöpft sind.

Auch abseits von Permafrost kann mtDNA die Zeiten überdauern, zum Teil über 130.000 Jahre. Bei Pflanzen kann sich das mitochondriale Erbgut unter besonderen Bedingungen sogar bis zu 500.000 Jahre lang erhalten.

[science.ORF.at, 24.7.07]
->   Max Planck Institute for Evolutionary Anthropology
->   Department of Integrative Biology - Berkeley
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Forscher rekonstruieren Mammut-DNA (19.12.05)
->   Mitochondriale DNA in fossilem Fund entdeckt (15.11.02)
->   Genom eines ausgestorbenen Vogels sequenziert (9.2.01)
 
 
 
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01.01.2010