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Antarktis: Forscher enträtseln "Loch im Eis"  
  Satellitendaten der Antarktis zeigten 1974 erstmals ein riesiges Loch im Eis des Weddell-Meeres. Nun konnten Forscher zeigen, dass die freie Fläche durch eine Abschwächung der Winde entstanden ist.  
Die freie Fläche erstreckte sich über 250.000 Quadratkilometer und verschwand 1976 wieder. Die von der Erscheinung faszinierten Wissenschaftler tauften das Phänomen die "Weddell Polynya", ein russisches Wort, das in etwa bedeutet "Loch im Eis". Bevor eine Expedition aufbrechen konnte, um direkte Messungen vor Ort durchzuführen, schloss sich das Eis aber wieder.
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Die Studie "A possible link between the Weddell Polynya and the Southern Annular Mode" von Arnold Gordon, Martin Visbeck und Josefino Comiso ist im "Journal of Climate" (Band 20, S. 2558-2571) erschienen.
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Zusammenhang mit Zirkumpolarstrom
 
Bild: Gordon und Comiso/ Lamont-Doherty Earth Observatory

Zwischen 1974 und 1976 war das Loch im Eis deutlich zu sehen (siehe Bild oben, der türkise "Fleck").

"Die Daten haben uns eine interessante und ungewöhnliche Entwicklung im regionalen Klimageschehen kurz vor der Bildung der Polynya aufgezeigt", erzählt Koautor Martin Visbeck vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften an Universität Kiel.

Die Forschergruppe stellte einen Zusammenhang zwischen der Polynya und der Abschwächung der Winde im Gebiet des Zirkumpolarstroms und dem antarktischen Kontinent in den Daten fest. Der Zirkumpolarstrom ist wie eine mächtige Wasserstraße, die den Kontinent umkreist und eine maßgebliche Rolle im Klimageschehen der Antarktis spielt.
Wärmeres Wasser verursachte Loch
Die Abschwächung der Winde löste eine Art Kettenreaktion in dem Zusammenspiel zwischen Atmosphäre, Ozean und Eisbildung aus, stellt die Studie fest. Die Abnahme der Winde führte zu weniger Niederschlag und begünstigte eine stärkere Vermischung der Wassersäule im Weddellmeer.

Das wiederum erlaubte ein Aufsteigen von wärmerem Tiefenwasser an die Oberfläche. "Dieses wärmere Wasser schmolz das Eis des Weddell-Meeres und bescherte uns die große Polynya", erläutert der Kieler Meeresforscher das komplexe Geschehen.
Daten nach dem Phänomen ausgewertet
Mitte der 70er Jahre konnten sogar Großrechner die riesige Datenmenge, die Satelliten aus dem All zur Erde funkten, nicht in Echtzeit auswerten. Als sich schließlich mit Zeitverzögerung das große Loch im Eis vor den Augen der Wissenschaftler in den Daten auftat, war das Phänomen auch schon wieder verschwunden.
Umgekehrte Kettenreaktion ausgelöst
Die umgekehrte Kettenreaktion, ausgelöst durch eine Verstärkung der Winde über die letzten 20 Jahre, hatte eingesetzt, so die Erklärung der Autoren Arnold Gordon, Martin Visbeck und Josefino Comiso.

"Leider gab es für uns damals keine Möglichkeit mehr, dieses imposante Loch im Eis durch Schiffsbeobachtungen und Messungen vor Ort zu untersuchen", erzählt Martin Visbeck ein wenig wehmütig. Seitdem schauen die Wissenschaftler Jahr für Jahr gebannt auf die Meereisdaten aus der Antarktis. Die Weddell Polynya zeigte sich seit 1976 jedoch nie wieder. Sie bleibt eine außergewöhnliche Erscheinung.

[science.ORF.at/idw, 24.7.07]
->   Martin Visbeck
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01.01.2010