News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 
Politiker basteln Konsens aus Expertendissens  
  Wenn heimische Politiker die Aussagen von Experten-Gremien verwenden, verfälschen sie diese zwar nicht: Sie basteln aus dem Expertendissens aber gerne einen Konsens zur Durchsetzung der eigenen Meinung.  
Dies stellt Alexander Bogner vom Institut für Technologiefolgen-Abschätzung (ITA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in einem Zwischenbericht zu einem noch zwei Jahre laufenden Forschungsprojekt fest.

Bogner geht in dem APART-Projekt "Soziologie bioethischer Expertise" unter anderem der Frage nach, welchen Einfluss die wachsende Zahl an Ethik-Kommissionen auf verschiedenen Ebenen in unterschiedlichen Ländern hat.
Auch Fachleute sind sich nicht einig
Zu den Gremien selbst stellt der Wissenschaftler fest, dass diese in heiklen ethischen Fragen in Sachen Biomedizin "in keinem Land der Welt zu einem Konsens finden" und dementsprechend auch keine einhellige Meinung vertreten.

Die Ethik-Räte seien etwa in Sachen Stammzellforschung, Klonen oder Pränataldiagnostik genau so gespalten wie der Rest der Bevölkerung.
Deutschland: Expertenmeinung als Ausgangspunkt
Unterschiedlich sind die Ansätze, wie Politiker Aussagen und Papiere der Ethik-Räte und -Kommissionen einsetzen. In Deutschland verwenden Politiker die Expertisen etwa nicht zur Plausibilisierung der eigenen Position, stellte Bogner fest.

Der Expertendissens wird einerseits als Startschuss für eine Diskussion und letztlich als Legitimation gesehen, dass die Entscheidung politisch zu treffen ist.
Österreich: Expertenmeinung als Legitimation
In Österreich läuft die Sache doch merkbar anders, so der Experte. "Die Politik bastelt jeweils aus Teilen der Mehrheits- und der Minderheitspositionen in den Stellungnahmen einen Konsens zusammen", so Bogner.

Das heißt vereinfacht, jeder sucht sich aus den Berichten jene Stellen zusammen, die ihm gerade in den Kram passen und legitimiert damit die eigene Position.

Das Ganze hat aber auch eine gute Seite: "Der souveräne Umgang der Politik mit Expertise lässt die Gefahr einer Expertokratie eher gering erscheinen", so Bogner. Österreich läuft also kaum Gefahr, zu einer Experten- oder Räterepublik zu werden.

[science.ORF.at, 27.7.07]
->   Projekt "Soziologie bioethischer Expertise"
->   Institut für Technologiefolgen-Abschätzung
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010