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Gehirn ist beim Schlafen noch aktiver als gedacht  
  Das Gehirn ist im Schlaf noch aktiver als bisher gedacht: Das ist das Resultat einer Studie des Salzburger Psychologen Manuel Schabus. Mit seinem Team hat er die Gehirnvorgänge während des Schlafs zugleich mittels EEG und Kernspintomographie untersucht. Damit konnten erstmals "Mini-Schlafereignisse" von wenigen Sekunden untersucht werden, schreibt Schabus in einem Gastbeitrag.  
Schlafen im Kernspintomographen
Von Manuel Schabus

Der Schlaf ist und bleibt ein großes Mysterium für uns Menschen. Etwa ein Drittel unseres Lebens verbringen wir in diesem sonderbaren Ruhezustand, dem bis heute keine klare Funktion zugeschrieben werden konnte.

Noch immer streitet man sich um dessen Funktion und diskutiert, ob der Schlaf unter Umständen eine rein evolutive Anpassungsstrategie ist, um den Gefahren der Nacht fern zu bleiben, ob er der Erholung und Energiekonservierung dient, oder aber unter Umständen emotionale Inhalte des Tages darin aufgearbeitet werden.
Aktivste Wachareale brauchen meiste Erholung
Neuere Konzepte sehen den Schlaf als "gebrauchsabhängig", wobei jene Nervenzellverbände, die im Wachzustand am aktivsten sind, den größten Schlafbedarf ansammeln.

Die Forschung zeigt, dass gerade Stirnhirnareale - wichtig zur bewussten Kontrolle unseres Verhaltens - erhöhten Schlafdrang entwickeln, im Schlaf am schnellsten deaktiviert werden und bei Schlafdeprivation vermehrt und ungewollt auch im Wachzustand "abschalten".

Ein anderer Forschungsstrang konzentriert sich auf die "Erfahrungsabhängigkeit" des Schlafs und verfolgt die Idee, dass dem Schlaf die Hauptfunktionen der zerebralen Verarbeitung von zuvor gelernter Information zukommen.

In der aktuellen Veröffentlichung hat nun ein Team österreichischer und belgischer Wissenschaftler neue Wege aufgezeigt, Gehirnvorgänge während des Schlafs zu untersuchen und diesem seine letzten Geheimnisse zu entreißen.
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Die Studie "Hemodynamic cerebral correlates of sleep spindles during human non-REM sleep" von Manuel Schabus et al. erscheint zwischen 31.7. und 3.8.07 in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (doi: 10.1073/pnas.0703084104).
->   Abstract der Studie (sobald online)
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Doppelte Gehirnmessung: Kernspintomograph plus EEG
In Zusammenarbeit mit Prof. Pierre Maquet und Kollegen führte ich eine bis dato einzigartige Studie durch, in der normale Versuchspersonen ohne Schlafentzug während des Schlafs im Kernspintomographen "gescannt" werden konnten.

Um den Schlaf objektiv feststellen zu können wurde simultan zum "Scannen" ein Elektroenzephalogramm (EEG) aufgezeichnet, das die Gehirnwellen während des Schlafs erfasste.

Die Kombination dieser beiden Methoden erlaubte es nun, die (zur Verarbeitung notwendige) Ansammlung von sauerstoffreichem Blut im Gehirn präzise zu lokalisieren und gleichzeitig mittels EEG spezielle Schlafmuster wie "Schlafspindeln" - ein charakteristisches Zeichen für leichten Stadium 2 Schlaf - zu untersuchen.

Die methodische Neuheit ist die wirklich kontinuierliche Erfassung von EEG und Kernspintomographie-Daten, die es erlaubt, diese spontanen Schlafereignisse (wie Schlafspindeln) zu untersuchen. Zudem konnten erstmals "normal" schlafende Versuchspersonen ohne massiven vorherigen Schlafentzug im Kernspin untersucht werden.
Kein leichter Schlaf: Verkabelt im Kernspintomographen
 
Bild: Manuel Schabus

64 Kopfelektroden registrieren Hirnströme während des Schlafs (EEG), Augenbewegungen werden mittels Elektroden um die Augen, Muskelaktivitäten mit Elektroden an Kinn und Beinen sowie Herzaktivität mit EKG-Elektroden aufgezeichnet.

Da sich die Versuchspersonen während des Schlafs in einem starken Magnetfeld befinden, sind spezielle nicht-magnetische Elektroden und Gerätschaften im Scanner zwingend notwendig.
Auch sensomotorische Regionen sind aktiv
Zum großen Erstaunen - und im Widerspruch zu früheren Befunden - fanden sich kortikale Aktivierungen über weite Bereiche des Gehirns.

Interessanterweise schlossen die aktivierten Areale Gehirnregionen ein, die üblicherweise nur während sensomotorischer Verarbeitung aktiv sind bzw. Bereiche, die stark mit Gedächtnisprozessen in Zusammenhang stehen (etwa der Hippocampus).
Kurze "Spindel"-Schlafereignisse untersucht, ...
Ältere Ansätze vermochten es nicht, diese vorübergehenden Aktivierungen (die etwa während einer Schlafspindel auftreten) zu veranschaulichen, da ihnen die zeitliche Auflösung fehlte.

So konzentrierten sich frühere Bemühungen vor allem auf die Exploration ganzer Schlafstadien und nicht auf einzelne Schlafereignisse von kurzer Dauer (ca. eine Sekunde bei Schlafspindeln).

Und global gesehen ist das Gehirn im Schlaf (abgesehen vom Traumschlaf, REM) tatsächlich weniger aktiv als im Wachzustand.
... in denen auch Information verarbeitet wird
Die aktuellen Daten legen nun nahe, dass Informationsverarbeitung auch während dieses leichten Schlafstadiums und speziell während des Auftretens von diesen so genannten Schlafspindeln statt finden kann.

Des Weiteren fanden sich zwei unterschiedliche Typen dieser Schlafspindel. Bei "schneller" oszillierenden Schlafspindeln (>13 Hz) zeigten sich die zuvor beschriebenen massiven kortikalen Aktivierungen in sensomotorischen und Gedächtnisregionen, bei dem "langsameren" Typen (<13 Hz) hingegen fanden sich Frontallappen-Aktivierungen.

Während dem schnellen Typen den Daten zufolge nun speziell sensomotorische Gedächtnisverarbeitungsfunktionen zugeschrieben werden könnten, ist die Funktion des langsameren Spindeltyps noch weitgehend unbekannt und erfordert weitere schlaflose Nächte von Schlafforschern ...
REM-Schlaf gilt es noch zu untersuchen
Eine weitere spannende Anwendung des beschriebenen Ansatzes liegt sicherlich auch in der Exploration des so genannten "Traumschlafs" (rapid-eye movement sleep, REM). Es ist bekannt, dass in speziell diesem Schlafstadium dass Gehirn äußerst aktiv bleibt, welches ihm auch den ehemaligen Namen "paradoxer Schlaf" eingebracht hatte.

Was jedoch zum Beispiel während des Traums im REM-Schlaf vor sich geht, ist weitgehend unbekannt, doch leider auch schwer erfassbar, denn in der "Röhre" träumt es sich einfach nicht so leicht ...

[31.7.07]
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Über den Autor
Manuel Schabus promovierte zum Thema "Schlaf und Gedächtnis" an der Universität Salzburg (Abteilung Physiologische Psychologie, Prof. Dr. Klimesch) und ging danach als FWF Erwin-Schrödinger Stipendiant ans "Cyclotron Research Centre" in Lüttich (Belgien), um die neue Methodik der kombinierten Kernspintomographie mit EEG (EEG/fMRI) im Schlaf anwenden zu können. Er beendete im Mai 2007 sein aktuelles Forschungsprojekt und hofft nun auf baldige wissenschaftliche Rückkehr an sein Heimatinstitut der Universität Salzburg.
->   Manuel Schabus, Uni Salzburg
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->   Cyclotron Research Centre, Lüttich
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01.01.2010