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Pest verringerte genetische Vielfalt der Europäer  
  Im mittelalterlichen England war die genetische Diversität der Menschen größer als im modernen Europa, berichten britische Forscher. Für den Verlust der Vielfalt könnte die Pest verantwortlich sein.  
Europa ist in den letzten tausend Jahren polyglotter geworden. Moderne Transportmittel machten den alten Kontinent zur Heimat für Menschen aus aller Herren Länder. Trotzdem sind die Europäer einander näher, als sie glauben: Ihre genetische Vielfalt ist nicht so hoch wie die von 48 Engländern aus dem Mittelalter.
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Die Studie "Ancient human mtDNA genotypes from England reveal lost variation over the last millennium" von A.L. Töpf, M.T.P. Gilbert, R.C. Fleischer und A.R. Hoelzel erscheint zwischen 31. Juli und 3. August online in den "Biology Letters" (doi: 10.1098/rsbl.2007.02).
->   Biology Letters
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Genetische Diversität gesunken
Die britischen Forscher gewannen die mitochondriale DNA (mtDNA) aus den Knochen von Menschen, die zwischen dem 4. und 11. Jahrhundert in England lebten. Sie verglichen sie mit einer Gen-Datenbank, die 6.320 Menschen aus ganz Europa und dem mittleren Osten umfasst.

Bis auf wenige Ausnahmen ergab der Vergleich überall das gleiche Bild: In den letzten tausend Jahren ist die Diversität gesunken. Nur in Palästina, Weißrussland und der Türkei ist die Vielfalt noch ähnlich hoch, wie im Mittelalter. Im restlichen Europa ist die mtDNA nicht mehr so variantenreich.
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Mitochondriale DNA
Die mitochondriale DNA (mtDNA) befindet sich in den Mitochondrien, den Zell-Organellen, die für die Energieversorgung zuständig sind. Die mtDNA wird beinahe ausschließlich mütterlicherseits vererbt, unterliegt keinem Selektionsdruck und mutiert mit einer konstanten Rate. Deswegen ist sie das ideale Werkzeug, um die genetische Verwandtschaft von verschiedenen Individuen zu messen.
->   mtDNA auf Wikipedia
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Pestepidemien als Ursache?
"Das moderne England ist sehr kosmopolitisch, darum war die höhere genetische Diversität bei den alten Proben unerwartet", schreiben die Forscher. Über die Jahrhunderte sind seltene Formen von mtDNA verschwunden, einige wenige sind übrig geblieben. Sie vermuten, dass die Pest ein Grund für den Verlust der Vielfalt sein könnte.

Im 14. Jahrhundert wurde Europa von einer riesigen Pestepidemie heimgesucht, ungefähr 50 Prozent der europäischen Bevölkerung starben. In den folgenden 300 Jahren kam es immer wieder zu Pest-Ausbrüchen.

Ganze Dörfer wurden ausgelöscht, doch immer wieder überlebten einzelne Familien. Sie waren teilweise resistent gegen die Krankheit. Dieser Selektionsvorteil könnte dazu geführt haben, dass nur wenige mtDNA-Varianten übrig blieben.

[science.ORF.at, 1.8.07]
->   Durham University: School of Biological and Biomedical Science
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01.01.2010