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Urbakterien aus dem ältesten Eis der Erde  
  Forscher haben im ältesten Eis der Welt Proben genommen und Bakterien gefunden, die sich seit acht Millionen Jahren in einem antarktischen Gletscher befinden. Einige davon konnten wieder zum Leben erweckt werden.  
Das Hauptproblem für die Mikroben im Eis ist weder die Temperatur noch der Mangel an Nährstoffen, sondern offenbar die kosmische Strahlung, die ihre DNA zerstört.
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"Fossil genes and microbes in the oldest ice on Earth" von Kay D. Bidle et al. erscheint zwischen 6. und 10. August 2007 auf der Website der "Proceedings of the National Academy of Sciences" (doi: 10.1073/pnas.0702196104).
->   Abstract (sobald online)
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Refugien der Vergangenheit
Das älteste Eis der Erde ist rund acht Millionen Jahre alt und liegt auf dem Südpol. Früher war die Antarktis eigentlich tropisches Gebiet, nennenswerte Eisfelder gibt es dort erst seit gut 30 Millionen Jahren, nachdem sich die Landfläche infolge der Kontinentaldrift vom Urkontinent Gondwana gelöst hat und in Richtung Süden gewandert ist.

Der größte Teil des jemals auf der Antarktis entstandenen Eises ist längst wieder geschmolzen und zurück in die Ozeane geflossen. Aber es gibt trockene Zonen, in denen uralte Eisbestände überdauert haben - etwa im Beacon Valley im Osten des Kontinents. Dort haben Forscher aus den USA und Korea nun Proben genommen und nachgesehen, was es im Ureis alles zu entdecken gibt.
Mikroben, die aus der Kälte kamen
"Als erstes wollten wir wissen: Können wir dort Mikroorganismen nachweisen?", berichtet Kay D. Bidle von der Rutgers State University in New Jersey. Die Antwort fiel positiv aus. Neben Sand und allerlei anorganischen Teilchen fanden Bidle und seine Kollegen bis zu 10.000 Bakterien pro Milliliter Eiswasser.

Im angrenzenden Mullins Valley, wo die Forscher ebenfalls Proben nahmen, war die die Bakteriendichte um einiges üppiger, nämlich zehnmal so hoch. Was wenig überrascht, denn das Eis im Mullins Valley ist lediglich 100.000 Jahre alt, dementsprechend hatten die darin befindlichen Mikroorganismen auch weniger mit den unwirtlichen Lebensbedingungen im (fast) ewigen Eis zu kämpfen.
DNA wird sukzessive zerstört
"Wir gaben die Bakterien dann in Nährmedien und das junge Zeug wuchs wirklich schnell, sie teilten sich alle paar Tage", erzählt Bidle. Im Vergleich dazu ging es bei den Uraltbakterien etwas gemächlicher zu. Sie brauchten rund 70 Tage, um gerade einmal eine Zellteilung zu absolvieren.

Wie schwierig das Leben im antarktischen Eis offenbar ist, zeigt folgendes Ergebnis. Ein durchschnittliches Bakteriengenom umfasst etwa drei Millionen genetische Buchstaben (sprich: Basenpaare), in den jüngeren Eisproben betrug die durchschnittliche Länge der entdeckten Erbgut-Stücke nur 18.500 Basenpaare, in den älteren gar nur mehr 200.

Ein Hinweis darauf, dass sich in den Proben auch jede Menge DNA-Fragmente toter Bakterien befinden, oder anders ausgedrückt: dass die DNA auch im Eis nur sehr begrenzt haltbar ist, weil sie schlicht und einfach zerbricht. Bidle und seine Kollegen errechneten, dass sich die Erbmoleküle einer Bakterienpopulation im Schnitt alle 1,1 Millionen Jahre um die Hälfte verkürzen. Kein Wunder also, dass nach acht Millionen Jahren nicht mehr sehr viel übrig bleibt.
Ursache: Kosmische Strahlung
Stellt sich die Frage: Was ist der Grund für den Schwund an Erbmolekülen? Eine Möglichkeit wäre, dass verschiedene Ionen mit dem Molekülgerüst der DNA reagieren und dieses aufbrechen. Wäre das tatsächlich der dominierende Abbauweg, müssten sich die junge und alte Probe in dieser Hinsicht unterscheiden, weil sie nicht den gleichen pH-Wert aufweisen.

Diese Hypothese fällt allerdings flach, denn der DNA-Verlust folgt hier wie dort dem gleichen Muster. Daraus schließen die US-Forscher, dass energiereiche Strahlung aus dem Kosmos die Ursache sein muss, die gerade im Bereich der Polkappen besonders stark ist. Bidle: "Die kosmische Strahlung sprengt die DNA in geologischen Zeiträumen in kleine Teile und die meisten Lebewesen können so einen Schaden nicht mehr reparieren."
Leben aus dem All unwahrscheinlich
Dieses Ergebnis ist insofern interessant, weil es auch etwas über den Ursprung des Lebens auf der Erde aussagen könnte. Bzw. darüber, wie dieser Ursprung vermutlich nicht abgelaufen ist: Laut der sogenannten Panspermien-Hypothese sollen nämlich die ersten Urzellen von Meteoriten oder anderen Himmelskörpern stammen, die einst auf die Erde stürzten.

Demgemäß wäre das irdische Leben eigentlich ein Importprodukt - eine Idee, der etwa DNA-Pionier Francis Crick zeitlebens etwas abgewinnen konnte. Angesichts der Resultate von Bidle und Co. scheint dieses Szenario nun recht unwahrscheinlich.

Wenn die kosmische Strahlung in den Gletschern des Südpols gelegene DNA so effektiv zerstört, dann kann man sich ausmalen, was die ungleich höhere Strahlenbelastung im All anrichtet. Die Samen des Lebens fielen - so es sie überhaupt gegeben hat - wohl als tote Samen auf die Erde.

Robert Czepel, science.ORF.at, 7.8.07
->   Kay D. Bidle - Rutgers University
->   Antarktis - Wikipedia
->   Panspermie - Wikipedia
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01.01.2010