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Homo habilis war Zeitgenosse von Homo erectus  
  Ein 1,44 Millionen Jahre alter Kieferknochen wirft das bisherige Modell zur Evolution des Menschen über den Haufen. Der Fund zeigt, dass die beiden Frühmenschenarten Homo habilis und Homo erectus für fast eine halbe Millionen Jahre Seite an Seite in Ostafrika lebten. Bisher hatte man angenommen, dass sich Homo erectus aus dem früher lebenden Homo habilis entwickelt hat.  
Selbe Zeit, selber Ort
Fred Spoor vom University College London und sein internationales Team um das berühmte Mutter-Tochter-Archäologengespann Meave und Louise Leakey entdeckten den Kieferknochen im Jahr 2000 östlich des Turkana-Sees in Kenia.

Aufgrund von Größe und Form der sechs erhaltenen Zähne ordneten die Forscher den Knochen der Frühmenschenart Homo habilis ("geschickter Mensch") zu. Diese habe somit länger als bisher vermutet - und damit auch zeitgleich mit Homo erectus ("aufgerichteter Mensch") - in Ostafrika gelebt. Homo erectus tauchte erstmals vor etwa 1,9 Millionen Jahren in Afrika auf.
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"Implications of new early Homo fossils from Ileret, east of Lake Turkana, Kenya" von F. Spoor et al. ist in "Nature" erschienen (Bd. 448, S. 688; diu: 10.1038/nature.05986).
->   Abstract
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Ökologisch unterschiedlich angepasst
Die Tatsache, dass beide Frühmenschenarten für lange Zeit nebeneinander gelebt haben, mache es unwahrscheinlich, dass sich Homo erectus aus Homo habilis entwickelt hat, schreiben die Wissenschaftler.

Vermutlich hätten die beiden Arten unterschiedliche ökologische Nischen besetzt und dadurch direkte Konkurrenz vermieden. So gäbe es Hinweise darauf, dass Homo habilis mehr pflanzliche Nahrung zu sich genommen habe, Homo erectus hingegen mehr Fleisch und Fett.
Gemeinsamer Vorfahre vermutet
Ganz ausschließen können die Forscher eine direkte Abstammung des Homo erectus vom Homo habilis allerdings nicht. Es sei denkbar, dass eine solche Entwicklung außerhalb des Überlappungsgebietes geschehen sei und sich die beiden quasi Arten nachträglich in der Turkana-Region getroffen hätten.

Vermutlich aber stammten beide von einem gemeinsamen Vorfahren ab, der vor zwei bis drei Millionen Jahren in Afrika gelebt hat, schreiben die Forscher.
Homo erectus: Minischädel korrigiert Lehrmeinung
 
Bild: National Museums of Kenya/F. Spoor, J. Reader

Mit einem weiteren Fossilienfund rüttelt das Forscherteam noch an einer anderen Hypothese zur Entwicklungsgeschichte des Menschen. Es handelt sich dabei um einen ausgesprochen gut erhaltenen Schädel eines Homo-erectus-Frühmenschen.

Die Wissenschaftler datierten ihn auf ein Alter von 1,55 Millionen Jahren. Bisher nahmen Experten an, dass Homo erectus abgesehen von seinem kleinen Gehirn dem modernen Homo sapiens bereits sehr ähnlich war. Dies stimmt womöglich nicht. Der neu entdeckte Schädel ist nämlich ausgesprochen klein - genau genommen ist es der bislang kleinste gefundene Homo-erectus-Schädel überhaupt.

Bild: Zwei Homo-erectus-Schädel von oben betrachtet. Der größere, hellere Schädelknochen stammt aus der Olduvai-Schlucht in Tansania. Der Größenunterschied zum dunkleren, nun entdeckten Schädel überrascht sogar Fachleute.
Parallelen zum Gorilla
Die Größenunterschiede zwischen den verschiedenen bislang gefundenen Schädeln seien so groß wie man es heutzutage unter anderem von Gorillas kennt, schreiben die Forscher. Bei diesen haben die männlichen Tiere sehr viel größere Schädel als die weiblichen und dieser Unterschied hängt auch mit der Tatsache zusammen, dass die Tiere mehrere Partner haben.

Womöglich habe es bei Homo erectus ähnliche Geschlechtsunterschiede gegeben. Diese werden innerhalb der Homnidenreihe als ursprüngliches Merkmal angesehen. Es sei denkbar, dass Homo erectus eher polygam lebte und sich damit deutlicher vom heutigen Homo sapiens unterscheidet als vermutet.

[science.ORF.at/dpa, 8.8.07]
->   Homo habilis - Wikipedia
->   Homo erectus - Wikipedia
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01.01.2010