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Grönland-Expedition: Teil 3  
  Eine Woche hat die österreichische Polarexpedition bereits in der Forschungsstation Zackenberg verbracht. Schlaf- und Arbeitsrhythmus sind aufgrund der Mitternachtssonne etwas durcheinander. Teile des Teams befinden sich bereits in einer Außenstation beim Freyagletscher, andere untersuchen die Menge an gelöstem organischem Material im arktischen Meer. Und auch wenn sich die Österreicher in der Arktis gewissermaßen als Exoten fühlen, erinnert die Vegetation teilweise durchaus an die Alpen, berichten die Forscher am Montag aus Grönland.  
Arktis: Fast wie die Alpen

Rund um Zackenberg
Von Karl Reiter, Andreas Richter, Michaela Panzenböck

Als Exoten werden meist Menschen bezeichnet, die aus Regionen kommen, die uns fremd sind. Wenn österreichische Forscher in Grönland, Alaska, der Russischen oder Kanadischen Arktis auftreten, um über Perspektiven der Arktisforschung zu sprechen, könnte man sie durchaus als Exoten betrachten.

Es scheint auf den ersten Blick eine berechtige Frage zu sein, warum Wissenschaftler aus einem Alpenland, das keinen Anteil an der Arktis hat, in dieser Region forschen und warum diese Forschung von öffentlichen Stellen wie dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung gefördert werden.

Zwar gab es schon immer eine Reihe von österreichischen Wissenschaftlern, die sich aktiv und zum Teil an prominenter Stelle an der Arktis- und Antarktisforschung beteiligten, doch waren dies durchwegs Einzelaktivitäten, die in Zusammenarbeit mit potenten ausländischen Organisationen erfolgten.
Arktisforschung hat Tradition
Die Gründe, warum Österreich überhaupt Arktisforschung betreiben sollte, sind vielfältig. Zunächst ist hier der historische Bezug zu nennen, nämlich die Entdeckung des Franz Josef Landes durch die österreichische Payer-Weyprecht Expedition im 19. Jahrhundert und das im Anschluss daran von Carl Weyprecht initiierte erste internationale Polarjahr 1882/83, mit dem die Polarforschung auf eine völlig neue Basis gestellt wurde.

Waren bis zu diesem Zeitpunkt die Suche nach dem Abenteuer, die Entdeckung der letzten weißen Flecken auf der Landkarte und die Suche nach neuen Seewegen die treibenden Faktoren für Fahrten in den arktischen Raum, so rückten in den letzten Jahrzehnten die wissenschaftlichen Fragestellungen in den Vordergrund.
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Österreichs Beitrag zum Internationalen Polarjahr
Das Internationale Polarjahr 2007/08 (IPY) ist eine weltweite Forschungsoffensive von 50.000 Wissenschaftlern aus 60 Nationen. Österreichs Beitrag ist FERMAP, eine Initiative von 15 Forschungseinheiten fünf österreichischer Universitäten und drei außeruniversitärer Einrichtungen, koordiniert von Wolfgang Schöner (Klimatologe, ZAMG) und Andreas Richter (Ökologe, Uni Wien).

Bei der Expedition nach Zackenberg sind sechs Österreicher beteiligt. Die Teilnehmer schildern ihre wissenschaftliche Arbeit und ihre Erlebnisse in science.ORF.at und in der Radiosendung "Wissen Aktuell" in Ö1 (Mo-Fr, 13.55 Uhr).
->   Internationales Polarjahr 2007/2008
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Klimaveränderung in durch Kälte geprägte Lebensräumen

Die drei Forscher
Der wirkliche Grund aber, warum auch ein Land wie Österreich sich für die Arktis interessieren sollte und warum österreichische Forscher einen Beitrag zum Internationalen Polarjahr leisten, ist die Globale Klimaänderung. Im aktuellen IPCC-Report vom Februar dieses Jahres wird der für das 21. Jahrhundert zu erwartende Temperaturanstieg zwischen 1.8° und 4° Celsius angegeben.

Überproportional werden aber die alpinen und arktischen Ökosysteme betroffen sein, wo der Temperaturanstieg möglicherweise doppelt so hoch ausfallen wird. Dies lässt für diese beiden Lebensräume auf jeden Fall tief greifende Veränderungen erwarten. Es sind also die durch Kälte geprägten Lebensräume (Hochgebirge und Polargebiete), die uns die Auswirkungen der Klimaveränderung drastisch vor Augen führen.

In den österreichischen Alpen gibt es bereits eine Vielzahl von Forschungsinitiativen aus den unterschiedlichsten Bereichen, die sich mit der Dokumentation der Auswirkungen und auch mit der Entwicklung von Gegenstrategien zum globalen Klimawandel auseinandersetzen. Diese Erfahrungen in die Arktisforschung einzubringen ist daher eine logische Konsequenz!
Die erste Woche in der Forschungsstation
Wie bereits in vorangegangenen Beiträgen dargestellt, war der ursprüngliche Plan die Fortsetzung der vor mehr als zehn Jahren mit großem Enthusiasmus begonnenen Forschungsarbeiten in Franz Josef Land. Die großen internationalen politischen Probleme und offensichtliche russische Vorbehalte haben diesen Plan wohl endgültig vereitelt.

Aber nach einer Woche Forschungsarbeiten in Nordostgrönland auf der phantastisch ausgerüsteten Forschungsstation Zackenberg auf 74°30' nördlicher Breite und 20°30' westlicher Länge haben uns die anfängliche Frustration über verhinderte Forschungsarbeiten in Franz Josef Land schnell vergessen lassen.

Die Forschungsstation Zackenberg besteht aus neun blau gestrichenen Häusern und liegt in der Mitte eines Fjords, umgeben von bis 1.300 Metern hohen, schneebedeckten Bergen. Bis zum gewaltigen Inlandeis sind es noch rund 100 Kilometer. Blickt man aus dem Fenster des Aufenthaltraums, so leuchten auch jetzt um Mitternacht - wo wir als Team diese Zeilen schreiben - noch die Gletscher im "nächtlichen" Sonnenlicht des hier 24 Stunden umfassenden arktischen Tages.
Auf der Suche nach organischen Kohlenstoff

Forschungsstation Zackenberg
Drei unsere Teammitglieder sind schon seit zwei Tagen in einem Außencamp zur Erforschung des Freyagletschers und auch die Laborarbeiten werden wohl noch mehrere Stunden andauern. Man verliert hier aber jedes Gefühl für Zeit - sowohl das Gefühl für den aktuellen Wochentag, aber auch die Rhythmik von Schlafenszeit und Arbeitszeit kommt etwas durcheinander.

Ein Teil des österreichischen Wissenschaftlerteams arbeitet hier in den gut eingerichteten Labors an der Frage, wie viel gelöstes organisches Material aus den terrestrischen Lebensräumen über die Flüsse in das arktische Meer kommen. Man nimmt an, dass sich die Verluste dieses gelösten organischen Kohlenstoffs ("dissolved organic carbon") in den nächsten Jahrzehnten deutlich vergrößern werden.

Was man allerdings noch nicht einschätzen kann ist, ob sich die Qualität der Kohlenstoffverbindungen verändern wird und ob diese Verbindungen dann schlechter oder besser von den Mikroorganismen in den arktischen Gewässern abgebaut werden können. Genaueres werden meine Kollegen in den nächsten Tagen berichten.
Manche Vegetationstypen erinnern an die Alpen
Die vegetationsökologischen Untersuchungen haben mich heute auf eine Geländestufe ca. 500 Meter über den Talgrund geführt. Es galt ca. 50 bereits vor 10 Jahren angelegte Untersuchungspunkte zu den damals aktuellen Vegetationsverhältnissen zu finden und für Vergleichszwecke photographisch zu dokumentieren.

Auf den ersten Blick scheint so mancher Vegetationstyp jenen aus den Alpen bekannten vergleichbar. Aber bei genauerem Hinsehen erkennt man die Unterschiede in der eigentlichen Artenzusammensetzung. Circa ein Drittel der hier vertretenen Pflanzenarten gibt es auch in den Alpen bzw. noch mehr sind solchen aus den Alpen sehr nahe verwandt.

Nicht grundlos sprechen Botaniker vom arktisch-alpinen Florenelement. Sind die eigentlichen Gipfel auch völlig ohne jede Vegetation, so findet sich bis zu einer Höhe von ca. 700 Meter ein Mosaik aus Zwergstrauchheiden, Rasenflächen, von schütter bewachsenen Schutthalten und Grobblockhalden.
Schneeschmelze bestimmt Vegetationsmuster
Dazwischen finden sich auch sehr feuchte Flächen, die von kleinen Quellaustritten oder auch durch kleine Rinnsale kommend aus den weiter oben liegenden Schneefeldern mit Wasser gespeist werden. In diesen Hangregionen, die sich über mehrere hundert Höhenmeter sehr flach talabwärts ziehen, bestimmt vor allem das unterschiedliche Eintreten der Schneeschmelze in den verschiedenen geomorphologischen Positionen (Hanglage, Mulde, Grat, ...) das Vegetationsmuster. Der Talboden wird von Mooren und Grasland bedeckt.

Die Möglichkeiten, die sich für feldökologisches Arbeiten hier bieten, sind sehr vielfältig. Einerseits werden wir in den nächsten Jahren das bestehende Netzwerk an Untersuchungsflächen zur Beobachtung von Vegetationsveränderungen nutzen.
Belege für die Auswirkungen des Klimawandels
Aber auch für das internationale Forschungsprogramm GLORIA, das vom österreichischen Ökologen Georg Grabherr geleitet wird, konnten bereits bestens geeignete Erhebungsflächen ausgewählt werden. Das Design dieses Forschungsprogramms hat zum Ziel, Vegetation nach bestimmten methodischen Vorgaben auf Berggipfeln zu beobachten, um in diesen sensiblen Regionen relativ rasch Belege zu den Auswirkungen des globalen Klimawandels zu erhalten.

Es gibt also eine Vielzahl an Dingen in den nächsten Tagen und auch in den Sommern der nächsten Jahre zu tun. Getragen wird unsere Arbeit auf jeden Fall von der Hoffnung, einen Beitrag zur Sensibilisierung der Menschen zu den Auswirkungen des globalen Klimawandels zu liefern.

[13.8.07]
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Über die Autoren
Karl Reiter ist Assisstenzprofessor am Deperatment für Naturschutzbiologie, Vegetationsökologie und Landschaftsökologie der Universität Wien. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Vegetationsmonitoring und Geographische Informationssysteme in der Ökologie. Andreas Richter ist außerordentlicher Professor am Department für Chemische Ökologie und Ökosystemforschungmit den Arbeitsschwerpunkten Ökologie und Kohlenstoffkreislauf. Michaela Panzenböck ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Department für Limnologie und Hydrobotanik der Universität Wien.
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->   Forschungsstation Zackenberg
->   Dansk Polar Center
->   Polarjahr: Notizen aus der Arktis, Woche 1 (www.dieuniversitaet-online.at)
Beiträge zur Expedition in science.ORF.at:
->   Grönland-Expedition: Teil 2
->   Österreich-Beitrag zum Polarjahr startet, Teil 1
 
 
 
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01.01.2010