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ORF ON Science :  News :  Kosmos .  Leben 
 
Leben im Weltraum: Plasma als Anwärter?  
  Physiker haben herausgefunden, dass es in den Weiten des Weltraums anorganisches Leben geben könnte. Allerdings würde es völlig anders aussehen als jenes auf der Erde: Es bestünde nämlich aus Plasmakristallen.  
Wie ein Team um Gregor Morfill vom Max-Planck-Insitut für extraterrestrische Physik in Garching berichtet, können auch im Plasma Vermehrung, Konkurrenz und Vererbung entstehen. Das zeigen zumindest Computersimulationen.
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"From plasma crystals and helical structures towards inorganic living matter" von V. N. Tsytovich ist im "New Journal of Physics" erschienen (doi: 10.1088/1367-2630/9/8/263).
->   Abstract
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Typus "E.T."
Auch Außerirdische sind vor Klischees nicht gefeit. Hollywood-Aliens haben zumeist einen Kopf mit zwei Augen, gehen auf zwei Beinen und sind noch dazu sprachfähige, intelligente Wesen. Kurzum: Sie besitzen auffällige Ähnlichkeiten mit uns selbst.

Das Bild mag in Film und Literatur seine Berechtigung haben, schließlich müssen Science-Fiction-Autoren in der Regel dafür sorgen, dass wir mit E.T. und Kollegen irgendwie ins Gespräch kommen. Und da sind humanoide Eigenschaften eben durchaus hilfreich.
Weg vom Kohlenstoff-Chauvinismus
Bei der Suche nach Leben im Weltall wäre so eine Sichtweise ohne Zweifel hinderlich. Nicht nur, dass die körperliche Gestalt fremder Lebensformen eine völlig andere sein könnte - sofern sie überhaupt etwas besitzen, was man mit unseren Begriffen als "Körper" bezeichnen würde.

Es ist noch nicht einmal ausgemacht, dass sie wie wir aus Kohlenstoffverbindungen bestehen. So wurde u.a. Silizium als möglicher Hauptbestandteil außerirdischen Lebens genannt, weil das Element - wie Kohlenstoff - vier Bindungsarme zur Verfügung hat und dementsprechend komplexe Verbindungen bilden könnte.

Dieser Umstand birgt indes eine gewisse Gefahr in sich. Wenn nämlich die Chemie extraterrestrischen Lebens völlig fremdartig ist, kann es durchaus passieren, dass wir es gar nicht als solches erkennen, selbst wenn es gewissermaßen vor unserer Nase liegt.

Daher empfiehlt der US-amerikanische National Research Council in einem jüngst publizierten Bericht: Exobiologen sollten auch nach Organisationsformen der Materie suchen, die nicht in unser Schema des Altbekannten passen. Die Suche nach fremden Lebensformen habe nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn sie sich vom irdisch geprägten Kohlenstoff-Chauvinismus befreit.
->   Bericht: The Limits of Organic Life in Planetary Systems
Suche nach Leben im Plasma
Sechs Physiker haben nun mit dieser Empfehlung Ernst gemacht und eine äußerst bizarre Lebensform ersonnen. Ihren Untersuchungen zufolge muss Leben keineswegs an die klassischen Aggregatszustände - fest, flüssig und gasförmig - gebunden sein, sondern könnte im Prinzip auch im sogenannten Plasma entstehen.

Als Plasma bezeichnen Physiker Gase aus geladenen Teilchen, die im Extremfall so energiereich sind, dass sich die Atomkerne von den Elektronen verabschieden und ihres eigenen Weges gehen. Was nach irdischen Maßstäben ungewöhnlich klingen mag, ist kosmisch betrachtet eigentlich der Normalfall. Bis zu 99 Prozent der sichtbaren Materie im Universum befindet sich im Plasmazustand - in Sternen und interstellaren Gasen beispielsweise.
Helix-Strukturen bilden sich spontan
Gregor Morfill vom Max-Planck-Insitut für extraterrestrische Physik erzählt, wie es zu dieser Entdeckung kam: "Wir führten vor einigen Jahren Experimente mit einem kalten Edelgas-Plasma durch, das wir mit kleinen Kunststoffkügelchen reagieren ließen. Dabei fanden wir heraus, dass sich die Teilchen-Plasma-Mischung offenbar selbst organisiert und spontan Stränge ausbildet. Unter gewissen Bedingungen entstehen sogar kristalline Helix-Strukturen."
Vermehrung, Konkurrenz, Vererbung
Morfill stellte auch fest, dass die korkenzieherförmigen Formationen relativ sensibel auf die Schwerkraft reagieren. Zwar ließ sich diese durch Anlegen eines magnetischen Feldes weitgehend ausschalten (Stichwort: Levitation) - aber eben nicht perfekt. Und so startete der Physiker mit fünf weiteren Kollegen eine Computersimulation, die zeigen sollte, was mit den plasmatischen Korkenziehern in der Schwerelosigkeit passiert.

Das Ergebnis war erstaunlich: "Die Helix-Strukturen wuchsen, sie teilten und vermehrten sich und konkurrierten um die verfügbare Energie im Plasma", so Morfill. Und was am wichtigsten ist: Sie bildeten sogar eine rudimentäre Form der Vererbung aus. "Sie speichern Information über die eigene Struktur und geben sie an die nächste Generation weiter. Allerdings nur dann, wenn verschieden große Teilchen beteiligt sind."
"Durchaus wahrscheinlich"
Würde man auf der Erde ein Molekülsystem mit diesen Eigenschaften entdecken, das Urteil hieße vermutlich: lebendig. Nachdem gleiches Recht für alle gilt, müsste man dieses Prädikat auch den Plasmastrukturen zugestehen - sofern es sie überhaupt in der wirklichen Welt gibt. Könnten solche Reaktionen tatsächlich im Kosmos stattfinden?

Morfill: "Aus meiner Sicht ist das durchaus wahrscheinlich. Eine Möglichkeit wären etwa die interstellaren Dunkelwolken, in denen die Temperatur für solche Vorgänge ideal sind. Allerdings müssen dabei zwei Bedingungen erfüllt sein: Die Teilchen müssen einander nahe genug kommen und sie müssen hinreichend geladen sein."

Kunststoffteilchen wie in den Laborversuchen wird man in den interstellaren Dunkelwolken freilich keine finden. Aber es gibt einige natürliche Kandidaten, die deren Rolle übernehmen könnten. Eisen, Eis und Kohlenstoffverbindungen etwa.

Robert Czepel, science.ORF.at, 16.8.07
->   Exobiologie - Wikipedia
->   MPI für extraterrestrische Physik
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01.01.2010