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Österreichs Forschung weit von Weltspitze entfernt  
  Von der Politik wird für Österreichs Wissenschaft "Weltspitze" angestrebt, doch die österreichische Grundlagenforschung ist noch weit von diesem Ziel entfernt. Das zeigt eine Analyse des Wissenschaftsfonds FWF über Publikationen und Zitierungen heimischer Wissenschaftler (Natur- und Sozialwissenschaften) aus den Jahren 1997 bis 2006.  
Demnach müsste Österreich die Zahl seiner Zitationen mehr als verdoppeln, um zum Durchschnitt der Top-Fünf-Nationen aufzuschließen. FWF-Präsident Christoph Kratky bezeichnete das Ergebnis als "sehr ernüchternden Befund".
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Das Positionspapier "Der Wettbewerb der Nationen - oder wie weit die österreichische Forschung von der Weltspitze entfernt ist" wurde auf der FWF-Website veröffentlicht. Dort kann man auch in einem eigens eingerichteten Diskussionsforum Stellungsnahmen zur Studie abgeben.
->   Zu Studie und Forum
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Absolute Reihung: USA voran

Zitate in wissenschaftlichen Fachzeitschriften sind zwar kein unumstrittenes Kriterium zur Qualitätsbeurteilung von Wissenschaftlern, dennoch werden sie regelmäßig für Vergleiche herangezogen - zumindest im Bereich der Natur- und Sozialwissenschaften.

Misst man die absolute Zahl der Publikationen und Zitationen (möglich ist das mit Hilfe des "ISI Web of Knowledge", das mehr als 8.000 wissenschaftliche Fachzeitschriften auswertet), liegen wenig überraschend die großen Nationen wie USA, Großbritannien, Deutschland, Japan oder Frankreich weit voran.

Österreich rangiert hier auf Platz 22. Weil ein Vergleich kleinerer Länder mit diesen Giganten hinkt, hat Falk Reckling vom FWF die Zitationen eines Landes in Relation zu seiner Bevölkerungszahl sowie zum Bruttoinlandsprodukt gesetzt - und zwar insgesamt sowie für einzelne Fachdisziplinen (Grafik rechts).
Relative Rangliste: Schweiz klar in Führung
Dabei kristallisierte sich eine klare "Weltklasse" heraus - durchwegs kleinere Nationen, die von ihrer Einwohnerzahl und Wirtschaftsleistung durchaus mit Österreich vergleichbar sind.

Über alle Disziplinen liegt die Schweiz mit 279 Zitierungen pro 1.000 Einwohner klar vor Schweden (208), Dänemark (186), Finnland (166) und den Niederlanden (155). Österreich müsste mit 95 Zitationen seinen Wert mehr als verdoppeln (Abstandsfaktor 2,1), um zum Durchschnitt dieser Top-Fünf-Nationen aufzuschließen.
Österreichs Mathematik am stärksten
Innerhalb der Disziplinen gibt es aber erhebliche Unterschiede: Das beste Ergebnis wird im Bereich Mathematik erzielt, wo Österreich nur 1,5mal mehr Zitierungen bräuchte, um zum Durchschnitt der Top-Fünf aufzuschließen.

Führend ist hier Israel mit 2,1 Zitationen pro 1.000 Einwohner, Österreich hat 0,83. Ähnlich das Ergebnis in Physik, wo der Abstand Österreichs zum Top-Fünf-Schnitt das 1,7fache beträgt (erster Platz: Schweiz mit 35,3 Zitierungen pro 1.000 Einwohner, Österreich: 11,0).
Sorgenkind Sozialforschung
Am anderen Ende der Skala liegen die Sozialwissenschaften, wo Österreich seine Zitierungen versiebenfachen (Abstandsfaktor 7,4) müsste, um zum Top-Fünf-Schnitt aufzuschließen. Führend sind hier Großbritannien mit 2,89 Zitationen pro 1.000 Einwohner vor den USA mit 2,61 - Österreich hat 0,33.

Ähnlich abgeschlagen ist Österreich im Bereich Landwirtschaft: Hier führt Neuseeland mit 3,75 Zitierungen pro 1.000 Einwohner, österreichische Wissenschafter kommen auf 0,59 und müssten 5,7mal so viel zitiert werden, um zum Durchschnitt der Top-Fünf aufzuschließen.
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Abstandsfaktoren im Detail
Die Abstandsfaktoren (so viel mal müssten sich die Zitierungen österreichischer Wissenschafter verbessern, um zum Schnitt der Top-Fünf zu kommen) in anderen Fachdisziplinen: Chemie, Klinische Medizin, Molekularbiologie, Neurowissenschaften (jeweils 2,1), Immunologie (2,3), Mikrobiologie (2,4), Biologie und Biochemie, Pharmakologie und Toxikologie (jeweils 2,6);

Computerwissenschaften (2,7), Pflanzen- und Tierwissenschaften (3,0), Ingenieurwissenschaften (3,3), Weltraumwissenschaften (3,8), Wirtschaftswissenschaften (3,9), Psychiatrie und Psychologie (4,2), Umweltwissenschaften (4,6) und Geowissenschaften (4,8). Ein sehr ähnliches Bild ergibt sich laut Falk Reckling auch, wenn man die Zahl der Zitationen nicht in Relation zur Bevölkerungszahl, sondern in Relation zum BIP setzt.
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Exzellenz in allen Bereichen notwendig
Reckling weist darauf hin, dass alle führenden Wissenschaftsnationen, insbesondere auch die kleineren wie Schweiz, Israel, Schweden, Dänemark, Finnland oder Niederlande, "nicht nur insgesamt, sondern in fast allen Wissenschaftsdisziplinen weltweit führend sind".

Für den Experten spricht das gegen eine zu starke Konzentration auf bestimmte Disziplinen. "Vielmehr scheint es so zu sein, dass ohne Exzellenz in den meisten Disziplinen kaum Exzellenz in einzelnen Bereichen möglich ist", so Reckling.
Geld alleine genügt nicht
Auch wenn fast alle führenden Länder weitaus mehr Mittel für die kompetitive Grundlagenforschung einsetzen als Österreich, ist Geld alleine nicht der ausschlaggebende Faktor, betont Reckling:

So habe etwa die Schweiz 2004 rund 65 Prozent mehr in Forschung und Entwicklung investiert als Österreich - aber zwischen 1997 und 2006 fast dreimal so viele Zitationen erzielt. Und Israel konnte zwischen 1997 und 2006 ein um mehr als 30 Prozent geringeres BIP als Österreich erwirtschaften, erreichte aber im gleichen Zeitraum fast 25 Prozent mehr Zitationen.

[science.ORF.at/APA, 16.8.07]
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01.01.2010