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Grönland-Expedition: Teil 4  
  Im vierten Teil unserer Artikelserie über die österreichische Polarexpedition nach Grönland schildert der Gletscherforscher Bernhard Hynek die Vorkommnisse der letzten Woche. Er berichtet unter anderem von Überresten einer schwedischen Expedition aus dem Jahr 1930 und einem Zusammentreffen mit drei Moschusochsen.  
Ankunft in der Zackenberg-Station
Eingepackt in wasserdichte "Heli-Hansen"-Anzüge, in denen man etwa eine Stunde im Eiswasser überleben kann, werden wir am Freitagabend letzter Woche mit einem kleinen Zodiac-Boot über den ca. zwei Kilometer breiten Tyroler Fjord gebracht. Ausgestattet mit Messgeräten, zwei Zelten und Proviant für mehrere Tage lassen uns unsere Fährmänner der Zackenberg-Station auf der Clavering-Insel zurück.

Zu dritt wollen wir hier die nächsten vier Tage am nahe gelegenen Freya Gletscher glaziologische und mikrobiologische Messungen durchführen, ehe wir am Montag um Mitternacht von der Crew der Polarstation wieder abgeholt werden - zumindest nach Plan A, also wenn alles gut geht und das Wetter eine Überfahrt erlaubt. Denn wie uns Stationsleiter Philipp immer wieder erklärt, kann das Wetter hier in der Arktis auch im Sommer alle Pläne durchkreuzen.
77 Jahre alte Spuren einer Expedition
 


Am nächsten Morgen steigen wir zum ersten Mal über die riesigen Moränenberge des letzten Gletscherhöchststandes der sogenannten "Kleinen Eiszeit" des 18. und 19. Jahrhunderts zum Freya-Gletscher auf und sind nicht wenig erstaunt, als wir am Gletscher Bambus von einer schwedischen Expedition aus den 1930er Jahren finden!
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Österreichs Beitrag zum Internationalen Polarjahr
Das Internationale Polarjahr 2007/08 (IPY) ist eine weltweite Forschungsoffensive von 50.000 Wissenschaftlern aus 60 Nationen. Österreichs Beitrag ist FERMAP, eine Initiative von 15 Forschungseinheiten fünf österreichischer Universitäten und drei außeruniversitärer Einrichtungen, koordiniert von Wolfgang Schöner (Klimatologe, ZAMG) und Andreas Richter (Ökologe, Uni Wien).

Die Teilnehmer der Expedition schildern ihre wissenschaftliche Arbeit und ihre Erlebnisse in science.ORF.at und in der Radiosendung "Wissen Aktuell" in Ö1 (Mo-Fr, 13.55 Uhr).
->   Internationales Polarjahr 2007/2008
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Die Gletscher verlieren Volumen
 


An mehreren Standorten am Gletscher bohren wir in den nächsten Tagen mit einem Dampfbohrer sogenannte Ablationspegel ins Eis, an denen die Eisabschmelzung nächstes Jahr abgelesen werden kann. Aus den Schneeprofilen im Nährgebiet des Gletschers lässt sich aber schon jetzt sagen, dass bis auf das außergewöhnlich gletschergünstige Jahr 2005/06 der Gletscher in den letzten Jahren an Masse verloren haben muss.

Ob die Gletscherschmelze hier ähnlich schnell wie bei uns in den Alpen voranschreitet, kann man jedoch erst nach unseren Messungen im nächsten Sommer genau sagen. Zusätzlich zu den Massenbilanzmessungen werden von unserem Ökologen Proben der Eisoberfläche, aus Eisbohrkernen und aus dem Gletscherbach für mikrobiologische und sedimentologische Analysen gesammelt.

Bild oben: Wolfgang Schöner mit Dampfbohrer.
Arbeit bis 3 Uhr in der Nacht
Da es die ganze Nacht über hell ist und wir dadurch rund um die Uhr arbeiten können, kann es leicht passieren, dass wir erst um 3 Uhr in der Nacht wieder beim Zelt ankommen. Während wir Glaziologen dann nach einer kurzen "Morgenjause" uns endlich in unsere Schlafsäcke verkriechen können, fängt für den Ökologen Andi die Arbeit im "Laborzelt" erst an, denn einige der Proben müssen sofort bearbeitet werden.

Da fällt es dann wirklich schwer, den für 8 Uhr morgens vereinbarten Kontrollanruf via Satellitentelefon mit der Polarstation einzuhalten ...

Glücklicherweise hält auch am dritten Tag das gute Wetter an und so steigen wir nach getaner Messarbeit am Abend auf einen namenlosen Gipfel und genießen in 1350 m Höhe den Ausblick auf die im rötlichen Licht der Mitternachtssonne glänzende Gletscherlandschaft.
Lemminge, Füchse und Moschusochsen
Neben einem frechen Lemming und kleinen, neugierigen Polarfüchsen, die immer wieder vor unseren Zelten auftauchen, machen wir am vierten Tag eine eindrucksvolle Begegnung mit drei Moschusochsen, die plötzlich hinter einem Moränenwall auftauchen. Mit geladener Signalpistole und erhöhten Adrenalinspiegel stellen wir Gott sei Dank fest, dass diese gewaltigen Tiere vor uns ebenso viel Respekt haben, wie wir vor ihnen, und nach kurzem Überlegen in schnellem Galopp davoneilen.
Zurück in der Station
Nach vier Tagen intensiver Feldarbeit werden wir wie geplant am Montag gegen Mitternacht bei unserem Camp abgeholt und von Emil und Henrik, zwei Mitgliedern der Zackenberg-Logistic-Crew, über den mittlerweile von Eisschollen übersähten Tyroler Fjord geführt.

In dieser Nacht des 13. August fällt die Temperatur das erste Mal unter Null Grad und wir sind froh, den Schlafsack gegen ein warmes Bett zu tauschen und wieder den ganzen Luxus der
Polarstation nutzen zu können. Zum ersten Mal seit 3 Monaten geht nun auch die Sonne nachts wieder für einige Minuten unter und kündigt den Übergang vom Polartag zur Polarnacht an.

[17.8.07]
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Über den Autor
Mag. Bernhard Hynek studierte Meteorologie an der Universität Wien und arbeitet als Glaziologe an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik. Sein wissenschaftliches Interesse liegt im Zusammenhang zwischen Gletscher- und Klimaentwicklung.
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->   Forschungsstation Zackenberg
->   Notizen aus der Arktis - Expeditionstagebuch (www.dieuniversitaet-online.at)
Beiträge zur Expedition in science.ORF.at:
->   Grönland-Expedition: Teil 3
->   Grönland-Expedition: Teil 2
->   Österreich-Beitrag zum Polarjahr startet, Teil 1
 
 
 
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01.01.2010