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Grönland-Expedition: Teil 5  
  Im fünften Teil unserer Artikelserie über die österreichische Grönland-Expedition geht es um globale ökologische Zusammenhänge. Wie wird die Arktis auf die steigenden Temperaturen in der Atmosphäre reagieren? Die beiden Ökologen Andreas Richter und Michaela Panzenböck suchen nach Antworten auf diese Frage.  
Arktis - Schlüsselrolle im globalen Kohlenstoffkreislauf?
Von Andreas Richter und Michaela Panzenböck

Wir gehen schwer bepackt mit CO2-Messgeräten, vielen Wasser- und Pflanzen-Proben und dem obligatorischen Gewehr durch eine karge, aber abwechslungsreiche Landschaft. Unsere Füße sind nass, wir sind hungrig und die Essenszeit auf der dänischen Polarforschungsstation Zackenberg ist auch schon fast vorüber. Und vor uns liegt noch ein Fluss, den wir nur mit Rettungsweste und Schlauchboot überqueren können.

Trotzdem bleiben wir stehen und beobachten, wie die Berge am gegenüberliegenden Ufer des Tyroler-Fjords in der tief stehenden Abendsonne zartrosa zu leuchten beginnen. Die grandiose Bergkulisse und die noch intakte Natur entschädigen auf jeden Fall für die Strapazen, die Forschung hier bedeuten kann.
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Österreichs Beitrag zum Internationalen Polarjahr
Das Internationale Polarjahr 2007/08 (IPY) ist eine weltweite Forschungsoffensive von 50.000 Wissenschaftlern aus 60 Nationen. Österreichs Beitrag ist FERMAP, eine Initiative von 15 Forschungseinheiten fünf österreichischer Universitäten und drei außeruniversitärer Einrichtungen, koordiniert von Wolfgang Schöner (Klimatologe, ZAMG) und Andreas Richter (Ökologe, Uni Wien).

Die Teilnehmer der Expedition schildern ihre wissenschaftliche Arbeit und ihre Erlebnisse in science.ORF.at und in der Radiosendung "Wissen Aktuell" in Ö1 (Mo-Fr, 13.55 Uhr).
->   Internationales Polarjahr 2007/2008
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Arktis noch unzureichend erforscht
 


Wir sind hierher gekommen, weil die Arktis eine Schlüsselrolle im globalen Klima einnimmt und weil man immer noch vergleichsweise wenig darüber weiß, wie das System Arktis funktioniert. Wir interessieren uns dabei für die Rolle arktischer Ökosysteme im globalen Kohlenstoffkreislauf.

Auf den ersten Blick scheint das wenig relevant. Wenn man durch die Tundra geht, fällt einem als erstes der Zwergwuchs der wenigen Pflanzen auf. Nur wenige Zentimeter sind die Zwergsträucher hier noch hoch. So wenig Biomasse soll global bedeutend sein?
Biomasse im Boden versteckt
Aber der größte Teil der organischen Masse liegt unter der Erde. Da sind natürlich die Wurzeln und andere unterirdische Pflanzenteile, die mehr als 90 Prozent der gesamten pflanzlichen Biomasse ausmachen. Der Hauptteil der Masse ist in Tundrenböden als totes organisches Material (dem so genannten SOM, "soil organic matter") festgelegt.

Je nachdem, wo die Grenzen der Arktis festgelegt werden und welchen Berechnungen man folgt, sind zwischen 12 und knapp 20 Prozent des globalen Boden-Kohlenstoffs in arktischen Böden gespeichert. Das ist bedeutend.

Vor allem weil es in der Arktis in den letzten Jahrzehnten deutlich wärmer geworden ist und die Prognosen zeigen, dass sich die Arktis viel schneller erwärmen wird als der Rest der Welt (nachzulesen übrigens im neuen IPCC-Report.)
->   IPCC
Pflanzen produktiver als Bodenbakterien
Zur enormen Akkumulation von organischem Material in arktischen Böden kam es, weil über Jahrtausende der Abbau von organischem Material langsamer war als der Aufbau ¿ oder anders gesagt, weil das pflanzliche Wachstum von den kalten und feuchten Bedingungen weniger stark beeinflusst war, als der Abbau der toten organischen Substanz durch Mikroorganismen.
Was passiert bei steigenden Temperaturen?
Das könnte sich nun ändern, wenn die Temperaturen steigen und die Böden, wie für einige arktische Regionen vorausgesagt, trockener werden. Dann könnten nämlich große Mengen an SOM von Mikroorganismen abgebaut werden, für die bislang die Bedingungen zu kalt und feucht waren. Mit starken Rückkoppelungen auf den CO2-Gehalt der Atmosphäre und damit auf die Erderwärmung.

Könnten abgebaut werden, denn klar ist das nicht. Auch Pflanzen können von den erhöhten Temperaturen profitieren und damit CO2 vermehrt binden. Zumindest dann, wenn dazu genug Nährstoffe vorhanden sind. Diese Interaktionen sind, wenig überraschend, also auch hier in der Arktis komplex und es wird wohl noch koordinierter internationaler Forschungsanstrengungen bedürfen um diese Sachverhalte besser zu verstehen.

Das Internationale Polarjahr, das im März dieses Jahres begonnen hat, ist eine erste Anstrengung in diese Richtung. Die vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung geförderte Kooperation mit dänischen Wissenschafter hier in Nordostgrönland ebenfalls.
Organische Stoffe werden ausgewaschen
Den Mechanismen der CO2-Bildung in den Böden auf die Spur zu kommen ist also eines unserer Forschungsziele. Wir untersuchen hier auch noch einen weiteren Aspekt des arktischen Kohlenstoffkreislaufes, der den Austrag von organischem Material aus den terrestrischen Ökosystemen ins Polarmeer betrifft.

Kohlenstoff, aber auch organisch gebundene Nährstoffe wie Stickstoff, werden aus den Böden auch ausgewaschen und mit den Flüssen in das Meer transportiert. Dieser Austrag nimmt seit einigen Jahren deutlich zu.
Einfluss auf CO2-Kreislauf unklar
Unklar ist dabei, was mit diesen organischen Verbindungen, beispielsweise Huminstoffen, passiert. Die meisten dieser Verbindungen werden am Transportweg verändert.

Ob das die Verbindungen leichter für Mikroorganismen abbaubar macht (und damit zu einer weiteren Erhöhung der CO2-Emissionen aus der Arktis beiträgt) oder ob diese Transformationen die organischen Stoffe schwerer abbaubar machen (und damit aus dem Kohlenstoffkreislauf zumindest vorübergehend herausnehmen), das versuchen wir ebenfalls mit verschiedenen Experimenten herauszufinden.
Die Sonne geht erstmals unter
Nun ist es bereits dämmrig. Ja, auch in der Arktis geht die Sonne unter - allerdings nur wenn der Sommer vorbei ist und das ist nun der Fall. Vor ein paar Tagen erst hat die Sonne nach Monaten wieder den Horizont berührt. Auch uns bleiben nur mehr ein paar Tage um unsere Experimente zu Ende zu bringen.
Aber wir werden wiederkommen im nächsten Sommer - um mehr über die Funktionen der faszinierenden arktischen Lebensräume zu erfahren.

[21.8.07]
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Über die Autoren
Andreas Richter ist außerordentlicher Professor am Department für Chemische Ökologie und Ökosystemforschungmit den Arbeitsschwerpunkten Ökologie und Kohlenstoffkreislauf. Michaela Panzenböck ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Department für Limnologie und Hydrobotanik der Universität Wien.
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->   Forschungsstation Zackenberg
Beiträge zur Expedition in science.ORF.at:
->   Grönland-Expedition: Teil 4
->   Grönland-Expedition: Teil 3
->   Grönland-Expedition: Teil 2
->   Österreich-Beitrag zum Polarjahr startet, Teil 1
 
 
 
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01.01.2010