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Inuit werden bei Arktis-Wettrennen nicht gefragt  
  Seit Anfang August gibt es ein "Wettrennen um die Arktis". Nachdem Russland eine Fahne am Seeboden des Nordpols versenkt hatte, bekräftigten auch andere Anrainerstaaten ihre Eigentumsansprüche. Gemeinsames Ziel sind die Bodenschätze, die in der Region vermutet werden. Von den Inuit, den indigenen Volksgruppen der Arktis, war dabei wenig zu hören. Duane Smith, der Präsident der wichtigsten Inuit-Vertretung, beklagt dies in einem science.ORF.at-Interview.  
Die Inuit wurden weder von Russland noch von den anderen Staaten über die neuen Entwicklungen informiert, erzählte Smith. Er befindet sich derzeit bei den Technologiegesprächen in Alpbach und nimmt dort an dem Arbeitskreis "Climate Change and Risk Governance" teil.
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155.000 Inuit in der Arktis
Zurzeit leben ungefähr 155.000 Inuit in der Arktis, aufgeteilt auf die vier Länder Kanada, Russland, USA und Grönland/Dänemark. Der 1977 gegründete Inuit Circumpolar Council (ICC) ist das Sprachrohr der Inuit in der internationalen Staatengemeinschaft. Das ICC hat bei den Vereinten Nationen Beraterstatus und ist permanentes Mitglied des Arctic Council, der vor elf Jahren zum Interessensausgleich zwischen den arktischen Anrainerstaaten und den indigenen Völkern gegründet wurde. Duane Smith ist Präsident von ICC-Kanada.
->   Inuit Circumpolar Council
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Bild: ICC
Duane Smith
science.ORF.at: Wir haben in den vergangenen Wochen ein bizarres Wettrennen in der Arktis erlebt. Was denken sich dabei die Inuit, die dort ja wohnen?

Duane Smith: Den Anrainerstaaten geht es um nackte Interessen, sie reklamieren ihre Ansprüche auf die Arktis, um danach die natürlichen Ressourcen auszubeuten. Aus Perspektive der Inuit stört das natürlich ein wenig. Unser Volk lebt dort seit tausenden von Jahren, was auch immer dort geschieht, betrifft unser Leben, und das verdient Respekt vor uns. Momentan wird vor allem darüber gestritten, wem welche Gebiete gehören - Gebiete, die von den Inuit bisher ohnehin nicht genutzt wurden. Weil wir die nächsten Bewohner sind, hätten sie uns aber wenigstens informieren können.
Gab es irgendeine Art der Kontaktaufnahme in den vergangen Wochen von einer der beteiligten Seiten?

Nicht, dass ich wüsste. Weder wurden der Inuit Circumpolar Council im russischen Chukotka informiert, noch in Alaska, Kanada oder Grönland.
Was genau macht der Inuit Circumpolar Council und was sind seine Ziele?

Wir wollen eine Lobby sein und das Bewusstsein dafür schärfen, dass wir als indigenes Volk gewisse Rechte haben, so wie alle anderen Völker der Erde, dass wir eine Kultur haben und ein Leben, das respektiert und anerkannt werden soll. Eines der Ziele ist es, die Leute darüber weltweit aufzuklären.
Was sind die häufigsten Probleme, die durchschnittliche Inuit mit dem Klimawandel haben?

Einige Veränderungen sind sehr subtil, andere sehr drastisch. Während wir sprechen, schmilzt das Eis, steigen die Wasserpegel, taut der Permafrost, kommt es zu Bodenerosion. In einigen Regionen mussten Gemeinden bereits in Richtung Festland umgesiedelt werden, unsere Gebäude und Friedhöfe sind in Gefahr, einige sind bereits im Ozean verschwunden.

An den Küsten Westalaskas ist die Erosion besonders stark, das ganze Packeis verschwindet. Das führt zu Bedingungen, die immer stärkere Stürme bilden, die wiederum die Küsten wegwaschen. Im Osten der Inuit-Welt sind wir sehr von stabilem Eis abhängig, damit wir uns bewegen und Fischfang betreiben können. Jetzt haben wir kein Eis oder ein sehr instabiles.
Wenn sie einen Wunsch frei hätten, welcher wäre das?

Ich würde mir wünschen, dass das Packeis stabiler und vorhersehbarer wird und die Wetterbedingungen gleichmäßiger.

Wir Inuit verstehen uns als Teil des Ökosystems - wenn das nicht gesund ist, sind auch wir nicht gesund. Und deshalb müssen wir versuchen, es zu reparieren. Was uns geschieht, wird auch in Ihren Regionen und überall in der Welt passieren. Die zwei Pole sind Indikatoren für das Geschehen in der ganzen Welt. Die Gletscher schmelzen ja auch hier in den Alpen, die Karibik ist in Gefahr wegen der steigenden Meeresspiegel, auch dort werden wohl Gemeinden umsiedeln müssen. Das sind sehr ähnliche Probleme wie die unsrigen.
Es gibt keine einzelne Lösung zur Bekämpfung des Klimawandels, welche favorisieren sie dennoch?

Wenn ich das wüsste, würde ich die Weltprobleme lösen. Wir müssen die schädlichen Emissionen bekämpfen, aber selbst das würde vermutlich nichts mehr helfen. Denn der Schneeball rollt bereits den Hügel hinunter, und wir können nur noch seine Geschwindigkeit verringern.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 23.8.07
->   Arctic Council
->   Inuit (Wikipedia)
->   Technologiegespräche, Forum Alpbach
Mehr zu den Technologiegesprächen 2007:
->   Neue Exzellenz-Initiative, neue Förderungsevaluierung (23.8.07)
->   Tandy Trower - Robotertechnik: "Remote Presence" als Schlüsselwort (22.8.07)
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01.01.2010