News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 
Absolutes Gehör liegt an einem Gen  
  Das absolute Gehör liegt an einem oder wenigen Genen, sind US-Wissenschaftler überzeugt. Allerdings ist eine musikalische Ausbildung notwendig, um es tatsächlich zu entwickeln.  
Alexandra Athos, Humangenetikerin an der University of California in San Francisco, und ihre Mitarbeiter haben zudem festgestellt, dass manche Töne schwieriger zu identifizieren sind als andere und dass die Fähigkeit dazu im Alter nachlässt.
...
Die Studie "Dichotomy and perceptual distortions in absolute pitch ability" von E. Alexandra Athos et al. ist am 27.8.07 online in der Fachzeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences" erschienen (doi:10.1073/pnas.0703868104).
->   Studie
...
Via Internet den Hörprofis auf der Spur
Das sogenannte absolute Gehör ist eine seltene Gabe: Schätzungen gehen davon aus, dass sie nur einer unter 2.000 bis 10.000 sie hat. Wer sie besitzt, kann Töne erkennen und benennen, ohne einen Referenzton dafür zu benötigen. Den meisten von uns ist diese Fähigkeit völlig verschlossen, selbst ausgebildeten Musikern. Diese erkennen Töne, indem sie sehr rasch das Intervall zu einem Vergleichston "errechnen".

Seit 1998 studieren die Forscher der Universität Kalifornien in San Francisco und Los Angeles den Ursprung des absoluten Gehörs. Dazu haben sie auf ihrer Website eine Umfrage und einen Test laufen, mit dem sie genügend Studienteilnehmer zu finden hoffen, um den Sitz des absoluten Gehörs in den Genen zu identifizieren.

Um an der Studie teilzunehmen, müssen Interessenten zunächst einen Fragebogen ausfüllen, in dem sie angeben, welche musikalische Ausbildung sie genossen haben, wann diese begann und ob es in ihrer Familie Personen mit absolutem Gehör gibt.

Anschließend folgt ein Test. Für das vorliegende Zwischenergebnis galt es, 36 Töne richtig zu erkennen und zu benennen, und zwar einmal "reine" Töne (synthesizergenerierte Sinustöne) und einmal solche von einem Klavier. Die Ergebnisse wurden nach einem Punktesystem bewertet, und nur wer die strengen Kriterien erfüllt, darf sich als Besitzer des absoluten Gehörs betrachten.
Ganz oder gar nicht: Die Meisten können nur raten
Im Gegensatz zu komplexen Merkmalen wie Körperbau oder Blutdruck scheint das absolute Gehör nur von einem oder einigen wenigen Genen codiert zu sein. Das schließen die Wissenschaftler aus der statistischen Verteilung dieser Fähigkeit innerhalb der Testgruppe.

Es gab deutlich zwei Gruppen von Probanden: solche, die die strengen Kriterien für das absolute Gehör erfüllten und andere, deren Treffsicherheit beim Benennen der richtigen Töne nicht über Zufallstreffer hinausging. Komplexe Eigenschaften, die von vielen Genen codiert sind, zeigen dagegen eine gleichmäßige Verteilung vom unteren bis zum oberen Ende des Spektrums.

Welches Gen Menschen für das absolute Gehör prädestiniert, wollen die Forscher anhand von DNA-Proben herausfinden. Dazu untersuchen sie das Erbgut in Familien, in denen das absolute Gehör gehäuft auftritt und vergleichen es mit dem von ähnlich musikalisch ausgebildeten Personen. Für eine definitive Aussage hätten sie jedoch noch zu wenig Material, wie sie auf ihrer Website mitteilen.
Gis hat höchste Fehlerquote
Die Auswertung der Testdaten von der Webumfrage ergab einige weitere interessante Befunde. Etwa einen geringfügigen Unterschied beim Erkennen der Töne, je nachdem, ob es sich um "reine" Töne handelte oder solche von einem Klavier. Letztere wurden leichter erkannt, wahrscheinlich weil Obertöne und Timbre zusätzliche Hinweise gaben, vermuten die Forscher.

Die "Testtöne" decken sechs Oktaven ab, und die Wissenschaftler stellten sich die Frage, ob die Erkennbarkeit mit der absoluten Tonhöhe korreliere. Das war zwar nicht der Fall, dafür gab es über alle Oktaven einen Ton, bei dem die meisten Fehler gemacht wurden: das Gis. Es wurde häufig fälschlich für ein A gehalten, was die Forscher auf den sogenannten perzeptuellen Magneteffekt zurückführen.

Weil die Note A in der westlichen Musik als Stimmton in einem relativ großen Frequenzbereich von 415 bis 466 Hertz verwendet wird, neigen die Probanden möglicherweise dazu, auch Töne, die etwas tiefer oder sogar höher sind, als A wahrzunehmen. Letzteres ist besonders ungewöhnlich, weil die Probanden sonst öfter Töne für zu hoch hielten.
Im Alter scheinen die Töne höher zu werden
Diese Abweichung verstärkt sich noch mit zunehmendem Alter, wie die Wissenschaftler herausgefunden haben. Sie vermuten die Ursache in physiologischen Veränderungen des Innenohres, die jeden betreffen, aber nur von Menschen mit absolutem Gehör bemerkt werden können. Ein Studienteilnehmer bewies ein "verstimmtes" absolutes Gehör, indem er alle 36 Testtöne genau um einen Halbton zu hoch hörte.

[science.ORF.at, 27.8.07]
->   University of California Absolute Pitch Study Website
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Profimusiker haben mehr graue Zellen (17.6.02)
->   Der richtige Ton (25.5.01)
->   Das absolute Gehör hilft Babys beim Sprechen lernen (20.2.01)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010