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Blei-Medikamente führten zum Tod Beethovens  
  Ein Wiener Gerichtsmediziner scheint nun die Umstände um den Tod Ludwig van Beethovens aufgeklärt zu haben. Die Behandlung einer Lungenentzündung mit bleihaltigen Substanzen sei der Auslöser gewesen.  
Das erklärt Christian Reiter vom Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Wien im Gespräch mit der APA. Reiters Untersuchungsergebnisse von Haarproben wurden in der jüngsten Ausgabe des von der San Jose State University in Kalifornien herausgegebenen "Beethoven Journal" veröffentlicht.
Lungenentzündung mit Blei behandelt
Bild: Wikipedia
Ludwig van Beethoven
In Zusammenarbeit mit der Universität für Bodenkultur Wien wurden Haare Beethovens untersucht. Die Locken bieten wie eine Art "Zeitlineal" einen medizinischen Einblick in die letzten 400 Tage von Beethovens Leben, der am 26. März 1827 starb, sagte Reiter. So könne nachvollzogen werden, dass die Bleibelastung 111 Tage vor dessen Tod beginnt.

Ab diesem Zeitpunkt behandelte Dr. Andreas Wawruch Beethovens Lungenentzündung mit schleimlösenden Bleisalzen. Die medizinische Literatur Mitte des 19. Jahrhunderts zeige, dass Behandlungen mit dem giftigen Schwermetall durchaus Aussicht auf Heilung versprachen und üblich waren.
Nebenwirkung: Starke Bauchwassersucht
Als Nebenwirkung dieser Behandlung sei allerdings eine starke Bauchwassersucht aufgetreten. Um Flüssigkeit abzulassen - der Patient "konnte kaum mehr atmen" - habe der Mediziner viermal punktieren müssen. Verklebt worden seien die Punktierungen mit Hilfe von Bleiseife. Diese habe den Vorteil, dass sie den Zutritt von Bakterien verhindere und desinfizierend wirke.

Vor dem Hintergrund der zur Verfügung stehenden Mittel hält Reiter den Einsatz von Blei in der Vor-Antibiotika-Zeit durchaus für "eine gute Idee". Wie auch bei der heute üblichen Chemotherapie seien die Nebenwirkungen von Blei "das kleinere von zwei Übeln" gewesen.
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Der US-Forscher William Walsh hatte bereits 2000 bekanntgeben, in Beethovens Haar eine enorm hohe Bleikonzentration gefunden zu haben.
->   Beethoven: Schwere Bleivergiftung von Jugend an (7.12.05)
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Leberzirrhose vertrug sich nicht mit Blei
Warum aber starb Beethoven an den medizinischen Eingriffen? Das entscheidende Kriterium war nach Angaben des Gerichtsmediziners die Leberzirrhose, an der Beethoven litt und von der Wawruch nichts wusste - erst bei der Obduktion des Leichnams wurde sie entdeckt.

Wawruch sei daher keine Schuld zuzuweisen, dass das Blei der ohnehin geschwächten Leber des Komponisten den Rest gegeben hat.
Hepatitis A vermutet
Die Zirrhose sei zwar durch den Alkoholkonsum Beethovens begünstigt, dennoch glaubt Reiter nicht, dass der Komponist "exzessiv trank". Es sei wohl vor allen Dingen eine Hepatitis A gewesen, die seine Leber entscheidend geschwächt hatte.

Beethoven schlief oft in Gasthäusern, hatte "nicht die besten Haushälterinnen": Mangelnde hygienische Verhältnisse waren wohl der Auslöser. Ohne die Lungenentzündung und die damit verbundene Bleibehandlung hätte er sehr wahrscheinlich noch einige Jahre länger leben können, meinte der Gerichtsmediziner.
Untersuchungen noch nicht abgeschlossen
Abgeschlossen sind die Untersuchungen zu Beethovens Tod noch nicht. So stehen noch einige Fragen im Raum, etwa nach der Herkunft des Bleis. Mit Ergebnissen sei "in ein bis zwei Jahren" zu rechnen, so Reiter.

[science.ORF.at/APA, 29.8.07]
->   "Beethoven Journal"
->   Mehr über Beethoven im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010