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Geschichtsbücher bekämpfen Vorurteile  
  Offizielle Geschichtsschreibungen stellen die Fakten der Historie häufig äußerst einseitig dar. Ein Buchprojekt zur Geschichte Sudosteuropas will nun solche perspektivischen Verzerrungen vermeiden.  
"Wir sind die Guten"
Es waren Lehrer in Südosteuropa, die vor ein paar Jahren den Stein ins Rollen brachten. Sie stellten fest, dass Geschichtsbücher, die sie verwenden sollten, oft eine ganz bestimmte Version der Geschehnisse erzählten.

"Es war eine ethnozentrische Sicht der Geschichte", erklärte der Geschäftsführer des "Center for Democracy and Reconciliation in Southeast Europe" (CDRSEE), Nenad Sebek, am Rande des Europäischen Forums Alpbach.

Das 2002 veröffentlichte Ergebnis einer CDRSEE-Studie in elf Ländern habe gezeigt, dass in jedem einzelnen Staat Geschichte in gewisser Weise nach dem Schema: "Wir sind die Guten", und "wir waren immer die Opfer, nie die Aggressoren" gelehrt werde.
Balkankriege der 90er ausgeklammert
Um dem Abhilfe zu schaffen, wurde ein Projekt gestartet, an dem rund 60 Historiker aus allen betreffenden Ländern - seit der Unabhängigkeit Montenegros sind es zwölf - beteiligt waren.

Sie erarbeiteten binnen zwei Jahren ein vierbändiges Geschichtsbuch für 17- bis 18-Jährige. Weitere zwei Jahre wurden aufgewendet, um etwaige Fehler zu finden und zu korrigieren. Die vier Arbeitsbücher sind den Themen "Das Osmanische Reich", "Nationen und Staaten in Südosteuropa", "Die Balkan-Kriege" und "Der Zweite Weltkrieg" gewidmet.

Ausgeklammert wurden hingegen die Kriege der 1990er Jahre. Sie zu behandeln, wäre "selbstmörderisch für das Projekt gewesen" - das Thema sei einfach noch "zu nahe und zu heiß", sagte Sebek.
Primärquellen statt Kommentare
Ziel des Projekts ist es nach seinen Angaben, "Vorurteile loszuwerden und in die Zukunft zu schauen". Es sei ein Prinzip des Werkes, nicht zu kommentieren, sondern mit Primärquellen zu arbeiten. So würden den Schülern mehrere Sichtweisen ein und derselben historischen Entwicklung geboten.

Zudem gehe es nicht nur um Könige und Schlachten, wie es früher im Geschichtsunterricht bisweilen üblich gewesen sei, sondern es werde auch auf Sozialgeschichte, Wirtschaftsgeschichte und Kunstgeschichte eingegangen.
Gemischte Reaktionen
Das Endprodukt ist bisher auf gemischte Reaktionen gestoßen, wie Sebek schilderte: Überwiegend sei das Echo positiv gewesen, manche hätten jedoch Kritik geübt, die an Verschwörungstheorien erinnerten - etwa aufgrund der Finanzierung des Projekts, an der unter anderem USAID, mehrere Ministerien wie das britische, das irische und das deutsche Außenamt sowie Stiftungen etwa aus Österreich beteiligt seien.

Die vier Arbeitsbücher liegen mittlerweile auf Englisch, Serbisch und Griechisch vor und kommen laut Sebek in manchen Schulen in Serbien sowie in der Lehrerausbildung bereits zum Einsatz. Noch heuer soll das Werk zudem in Albanisch, Bosnisch, Kroatisch und Mazedonisch herauskommen. Für das Frühjahr ist eine türkische Ausgabe geplant. Ziel sei die Übersetzung in die Sprachen aller betroffenen Länder.

[science.ORF.at/APA, 30.8.07]
->   The Southeast European Joint History Project
 
 
 
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01.01.2010