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Universitäre Exzellenz: Wer rankt die Ranker?  
  In Österreich stand man Hochschulrankings immer eher reserviert gegenüber, nun hat die Qualitätssicherungsagentur AQA die Mitarbeit am Vergleich der deutschsprachigen Universitäten aufgekündigt. Aber auch im Mutterland der Rankings regt sich immer mehr Widerstand. Aus gutem Grund: Es erscheint äußerst zweifelhaft, ob es überhaupt möglich ist, die Qualität von Hochschulen sinnvoll zu vergleichen.  
Peer Reviews als Stein des Anstoßes
1983 kam das Magazin "U.S. News & World Report" erstmals auf den Gedanken, amerikanische Universitäten miteinander zu vergleichen. Mittlerweile ist dieses Ranking für US-Highschool-Absolventen eine der wichtigsten Grundlagen für die Wahl ihrer künftigen Hochschule. Die Macht, die das Medium damit über die US-Universitäten besitzt, hat in den vergangenen Jahren immer mehr Gegner auf den Plan gerufen.
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"Grotesk"
"Wir bekommen eine Liste mit ein paar Hundert Institutionen und sollen sie einfach auf einer Skala von eins bis fünf bewerten. Das ist grotesk", sagte Patricia McGuire, die Rektorin der Trinity University in Washington D.C. zu "Science". Sie boykottierte die Umfrage - wie immer mehr ihrer Kollegen, die sich in einer Bewegung zusammengeschlossen haben.
->   Criticism of college and university rankings - Wikipedia
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Macht der Medien über Universitäten
Brian Kelly, der Herausgeber von "U.S. News & World Report", tut den Boykott ab: Das Ranking habe immer seine Gegner gehabt, sagte er, aber mehr als die Hälfte der Universitätsmitarbeiter füllten den Fragebogen nach wie vor aus. Und das Magazin könne jederzeit andere finden, um Bewertungen abzugeben.

In Großbritannien ist das weltweite Ranking im "Times Higher Education Supplement" (THES) ausschlaggebend: Viele Arbeitgeber verwenden die sogenannten "league tables" für Personalentscheidungen, und auch Fördergesellschaften, Mäzene und Regierungen widmeten ihnen immer mehr Aufmerksamkeit, beklagt Ellen Hazelkorn vom Dubliner Technologieinstitut.
Methoden: Was ist eine gute Uni?
Die Methodik der Rankings unterscheidet sich grundlegend. "Science" hat die drei international meistbeachteten verglichen und einem alternativen Ranking gegenübergestellt.

Beim "U.S. News & World Report" spielen die finanziellen Ressourcen eine gewichtige Rolle: Das Budget, die Ausgaben pro Student und die Spendenfreudigkeit der Absolventen machen dort insgesamt 35 Prozent der Kriterien aus. Weitere 40 Prozent entfallen auf die Schwierigkeit, Aufnahme zu finden, die Wahrscheinlichkeit, bis zum Abschluss zu kommen und die Zahl der Absolventen.

In das THES-Ranking fließen hingegen auch Forschungsdaten ein, und zwar die Zitierungen pro Wissenschaftler mit einem Fünftel, ebenso die Internationalisierung mit zehn Prozent und das Betreuungsverhältnis ebenfalls mit einem Fünftel.

Am meisten kritisiert werden an beiden Rankings allerdings die Peer-Reviews. In den USA machen sie ein Viertel der Bewertung aus, in Großbritannien gar 40 Prozent; dort kommen auch noch die Meinungen potenzieller Arbeitgeber hinzu. Gewicht: 10 Prozent.
Subjektive Meinung vs. objektive Daten
Der Diskussion über die Relevanz und fehlende Objektivität von Meinungen entzieht sich die Shanghai Jiao Tong Universität, indem sie reine, objektivierbare Forschungsdaten vergleicht: Citation Index, häufig zitierte Wissenschaftler, Nobelpreise und Fieldsmedaillen, Artikel in "Science" und "Nature".

Universitäten mit hohem geisteswissenschaftlichen Anteil bleiben dabei auf der Strecke, meinen Kritiker: Fieldsmedaillen sind Mathematikpreise und die genannten Zeitschriften sind den Naturwissenschaften vorbehalten. Also auch keine Lösung.
Alternatives Ranking
An der Universität Leiden hat man eine Alternative zu den etablierten Rankings überlegt, die gerechter sein soll. Die Ergebnisse sind relativ komplex und eignen sich daher nicht besonders gut zur Veröffentlichung in einer Zeitungsbeilage. Es misst ebenfalls ausschließlich die Forschungsleistung. Der Leitindikator berücksichtigt auch die Größe der Universität.

Bislang haben die Leidener die 100 Universitäten mit der größten Zahl an Publikationen verglichen, planen aber bereits, das Ranking auf 400 Hochschulen auszuweiten. Eigentlich müsste es heißen: "die Rankings", denn es wurden mehrere Indikatoren erhoben:

die Gesamtzahl der Publikationen (gelbe Liste), deren Impact, einmal nach der Größe der Uni gewichtet (grüne Liste), dann wieder nicht (orange Liste) sowie die Zitierungen pro Publikation ohne jede Gewichtung (blaue Liste).
Auf die Definition kommt es an
Ein Vergleich der vier Rankings zeigt deutlich, wie sehr es auf die Definition der Indikatoren ankommt. Solche Details liest man aber nicht in Kurzmeldungen. Dort heißt es nur "Österreichische Unis fallen zurück", ungeachtet der Kriterien, nach denen sie bewertet wurden; dasselbe gilt auch für "Erfolgsmeldungen".
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Uni Wien in diversen Rankings
U.S. News & World Report: - (nur US-Unis)
Times Higher Education Supplement (THES, weltweit), 2006: Platz 87
Shanghai Jiao Tong Universität, 2007: Plätze 151-202 (weltweit; Einzelplatzwertung nur bis 100), bzw. Plätze 57-80 (europaweit)
Leiden Ranking (Europa), 2007: Plätze 80 (green), 11 (yellow), 22 (orange), 67 (blue)
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Ranking für den deutschsprachigen Raum
Für Deutschland, Österreich und die Schweiz hat sich seit einigen Jahren ein Universitätsranking etabliert, das vor allem als Entscheidungshilfe für zukünftige Studenten gedacht ist. Das "Centrum für Hochschulentwicklung" (CHE) hat es 1998 entwickelt.

Detlef Müller-Böling, seit 1994 Leiter des CHE, betont, dass einer der Vorteile seiner Bewertungsmethode die fehlende Rangfolge sei. Es gibt nur eine Zuordnung zur Spitzen-, Mittel- oder Schlussgruppe. Verglichen werden auch nicht ganze Universitäten, sondern nur einzelne Fächer bzw. Studien.

Der Hochschulvergleich erhebt möglichst viele Indikatoren, die von den Usern der Online-Version nach persönlichen Präferenzen abgerufen und kombiniert werden können. Erhoben werden auch die Meinungen von Studenten über die eigene Universität und die von Professoren über die besten anderen Hochschulen in ihrem Fachbereich.
Preis der Detailverliebtheit
Kritikpunkt beim CHE-Ranking ist zum Beispiel die geringe Stichprobenzahl, wie Alexander Kohler, Leiter der Österreichischen Qualitätssicherungsagentur AQA, gegenüber dem "Standard" sagte. Wenn die Stichproben zu klein sind - unter 15 Antworten laut dem Statistiker Erich Neuwirth von der Uni Wien - bzw. eine Uni die Daten nicht liefern kann, wird der Indikator nicht bewertet.

Wie sinnvoll ein Vergleich dann noch ist, muss jeder für sich entscheiden. Dem könnte man noch hinzufügen, dass das Ranking fast ausschließlich auf Befragungen, also subjektiven Daten fußt. Aufgrund dieser "methodischen Mängel" lehnt die AQA für die Zukunft die Koordination des Rankings für die österreichischen Universitäten ab.
Kritik wird lauter
Nun rufen amerikanische Universitäten zum Boykott des "U.S. News & World Report"-Rankings auf. Unter anderem enthält es ein Argument, das in österreichischen Hochschulkreisen immer wieder - auch im Zusammenhang mit den gesetzlich vorgeschriebenen Wissensbilanzen - zu hören ist: Universitäten sind in vielen Punkten nicht miteinander vergleichbar.
->   Boykottaufruf von US-Hochschulvertretern
Unis sind Individualisten
Bei internationalen Vergleichen wird beispielsweise der in Österreich einzigartige freie Hochschulzugang nicht berücksichtigt. Dafür gibt es in Deutschland keine Studiengebühren. Umgekehrt kann man an amerikanischen Universitäten oft großzügige Leistungsstipendien erhalten.

Technische Hochschulen ziehen oft eine Patentanmeldung einer Publikation vor, Kunstakademien können sich sogar in Österreich ihre Studenten aussuchen. Massenfächer erfüllen einen wichtigen Bildungsauftrag, eignen sich aber nicht zu Kaderschmieden. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

In Österreich haben einige Universitäten bereits begonnen, Rankings durch sogenannte Benchmarkings zu ersetzen, die bestimmte Parameter ähnlicher Institutionen miteinander vergleichen. Sie sollen der Qualitätskontrolle der Hochschulen dienen, statt ihrer - oft fragwürdigen - Darstellung in der Öffentlichkeit.

Hanni Schopfhauser, science.ORF.at, 31.8.07
->   THES World Ranking (kostenloses Testabo für 14 Tage)
->   Shanghai Jiao Tong University Ranking
->   Universität Leiden Ranking, Center of Science and Technology Studies (CWTS)
->   U.S. News & World Report Ranking
->   Centrum für Hochschulentwicklung (CHE): Ranking für deutschsprachige Universitäten
->   Der Standard/Uni
->   Österreichische Qualitätssicherungsagentur (AQA)
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Österreich steigt aus CHE-Hochschulranking aus (21.8.07)
->   Uniranking: Harvard weiter in Führung (14.8.07)
 
 
 
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01.01.2010