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Craig Venter: Erste persönliche DNA entziffert  
  Das Erbgut von Menschen ist viel individueller als bisher gedacht. Darauf lässt die Sequenzierung des ersten persönlichen menschlichen Genoms schließen. Der dazupassende Mensch ist kein unbekannter: Es handelt sich um Craig Venter, den schillernden und umstrittenen Star der Genomik.  
"Wir sind nicht zu 99,9 Prozent identisch, sondern nur zu 99 oder sogar nur zu 98 Prozent", sagte Venter.

Das entzifferte Erbgut ist eine "diploide" Blaupause und enthält als solche die genetischen Daten beider Erbgutsätze, je einen von väterlicher und von mütterlicher Seite. Die Erbgutträger jeweils eines Chromosomenpaares zeigten nach Angaben eines Forscherteams um den US-Biologen Samuel Levy überraschend große Erbgutunterschiede.
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Die Studie "The diploid genome sequence of an individual human" ist am 3.9.07 online in der Open-Access-Zeitschrift PLoS Biology (5(10): e254; doi:10.1371/journal.pbio.0050254) erschienen.
->   Die Studie
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Wieder ein Sieg im Wettrennen um Aufmerksamkeit
Bild: EPA
Craig Venter
Mit der Veröffentlichung seines Genoms hat der umtriebige und geschäftstüchtige Venter ein weiteres Wettrennen gewonnen. Im Jahr 2001 publizierte seine Firma Celera noch parallel mit dem öffentlich finanzierten Human Genome Project (HGP) die Daten zur Entzifferung des menschlichen Erbguts. Nun ist ihm mit der Sequenzierung seiner persönlichen DNA eine neuerliche Premiere gelungen.

Dabei sind auch hier die Widersacher durchaus ehrenwert und prominent. James Watson, der im April 1953 gemeinsam mit Francis Crick die Arbeit zur Helix-Struktur der Erbsubstanz veröffentlicht hatte, hat seine Daten Ende Mai bereits in die Online-Datenbank des Cold Spring Harbor Laboratoriums (CSHL) bei New York einspeisen lassen.
Open Access vs. Venterisierung
Zurzeit liegen die DNA-Daten von Venter und Watson in trauter Zweisamkeit auch auf einem ftp-Server des National Center for Biotechnology Information (NCBI). Was Watson bisher fehlt, ist die entsprechende Publikation in einem Fachjournal.

Genau die hat Venter nun vorgelegt. Und auch dabei wieder einen kleinen Mediencoup gelandet. Venter, dem unter dem Schlagwort der "Venterisierung" oft die Privatisierung von Informationen vorgeworfen wird, ließ die Arbeit ausgerechnet im Open-Access-Journal PLos Biology veröffentlichen.

Erstautor des internationalen Studienteams ist der US-Biologe Samuel Levy vom - was sonst - J. Craig Venter Institut in Rockville/Maryland (JCVI).
->   ftp-Seite des NCBI mit DNA von Watson und Venter
->   James Watson's Personal Genome Sequence (CSHL)
"Gläserner Venter" kämpft nun gegen Cholesterin
Während Datenschützer schon heute vor dem "gläsernen Patienten" warnen, treibt Venter nun auch die medizinische Transparenz auf eine neue Spitze. Und hat daraus auch bereits Konsequenzen gezogen.

Wie der 60-jährige Wissenschaftler in einem Interview mit der dpa zugab, nimmt er seit der Sequenzierung seines Erbguts cholesterinsenkende Mittel. Sein Vater war 59-jährig an einem Infarkt gestorben. Er selbst trägt, dem Erbgut nach zu urteilen, ebenfalls die Anlage für schwere Herzprobleme in seinen Genen.
300 Krankheitsgene entdeckt
Bei der Analyse des Venterschen Genoms sind die Forscher insgesamt auf mehr als 300 Krankheitsgene und auf 4.000 bislang unerforschte Varianten der rund 25.000 bekannten Gene des Menschen gestoßen.

Die beiden ersten von Celera und HGP entzifferten menschlichen Genome waren aus den genetischen Informationen mehrerer Menschen zusammengestellt worden - jene von Celera übrigens zu 60 Prozent von Venter - und zeigen daher nicht die Anlagen einer einzelnen Person.
20 Milliarden DNA-Basenpaare
Venters Genom wurde mit der kostspieligen Sanger-Technologie sequenziert und zeichnet sich dem Forscher zufolge durch höchste Genauigkeit aus. Es heißt in der Fachliteratur "HuRef" (Referenz für Human-Genom) und bietet sich laut Venter als Grundlage zum Vergleich künftiger Erbgutstudien an.

Für "HuRef" waren 20 Milliarden DNA-Basenpaaren entziffert worden. Die JCVI-Forscher hatten das Genom mit seinen rund drei Milliarden Basenpaaren rund sieben Mal sequenziert, um Fehler möglichst auszuschließen.

Von 4,1 Millionen DNA-Varianten in Venters Erbgut entfielen 3,2 Millionen auf Veränderungen einzelner Bausteine (Single Nucleotide Polymorphisms/SNPs). Die restlichen waren Einschnitte, Auslassungen, Doppelungen oder auch Verschiebungen auf andere Bereiche seines Erbguts.
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Zehn Millionen US-Dollar für Schnellsequenzierung
Ein weiteres Projekt, das die DNA-Entzifferung vorantreibt, ist der "Archon X Prize for Genomics". Er verspricht jenen Forschern zehn Millionen US-Dollar, denen es erstmals gelingt, hundert Genome in zehn Tagen zu sequenzieren. Ein Millionen-Bonus winkt, falls auch das Erbgut einer Reihe von Berühmtheiten entziffert wird - darunter der Physiker Stephen Hawking, der CNN-Starjournalist Larry King und der Microsoft-Mitbegründer Paul Allen.
->   Archon X Prize for Genomics
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Eine Sequenzierung für 73.000 Euro?
Craig Venter hält die Veröffentlichung seines Genoms für altruistisch. Er sieht sich als Vorbild für andere und möchte Ängste über die mögliche missbräuchliche Verwendung der persönlichen Gendaten zerstreuen. Er plant deshalb auch eine Datenbank, in die jeder sein "eigenes Erbgut" samt Krankheitsgeschichte und anderen individuellen Informationen einspeisen kann.

Venter glaubt, dass in absehbarer Zeit menschliche Genome für rund 73.000 Euro entziffert werden können. Bis Jahresende könnten weitere 20 bis 30 individuelle DNA-Sequenzierungen veröffentlicht werden.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at/dpa, 4.9.07
->   Craig Venter Institute
->   National Center for Biotechnology Information (NCBI)
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01.01.2010