News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 
Drogensucht: Forscher suchen bessere Therapien  
  Bis 12. September findet in Wien die 3. Europäische Konferenz über Suchttherapie statt. Die Experten beraten zu jüngsten Erkenntnissen zum Suchtverhalten und neue Medikamente für Ersatztherapien.  
"Ein Zehntel der Gelder für das gesamte Gesundheitssystem gehen in die Behandlung von Suchterkrankungen", erklärte die Leiterin der entsprechenden Fachambulanz an der Wiener Universitätsklinik für Psychiatrie (AKH), Gabriele Fischer, am Montag bei einer Pressekonferenz.
Gefängnis "teuerste Aufenthaltsstätte"
"Es ist schon gelungen, eine gewisse Entstigmatisierung der Suchterkrankungen zu erreichen. Sucht ist weder eine 'Schwäche' noch ein 'Charakterfehler'. Die teuerste Aufenthaltsstätte für die Betroffenen ist das Gefängnis.

Die modernen bildgebenden Verfahren zeigen uns, dass im Limbischen System des Gehirns, wo das Belohnungssystem ist, in der Diagnose ganz ähnliche Bilder - egal, ob bei Spiel-, Nikotin-, Heroin- oder substanzunabhängigen Süchten", betonte die Organisatorin des Kongresses.
Substitutionstherapie: Leben wieder ordnen
Zumindest in der Behandlung von Opiatabhängigen wurde in den vergangenen Jahren mit der Substitutionstherapie ein riesiger Fortschritt geschafft. Methadon, Buprenorphin und retardierte Morphine stehen hier im Einsatz.

Allison Ritter vom nationalen australischen Zentrum für Drogen- und Alkoholismusforschung: "Wir hatten in Australien ein signifikantes Heroin-Problem. Die pharmakologische Behandlung mit Drogenersatzmitteln ist die legale und sichere Bereitstellung solcher Substanzen. Sie erlaubt es den Abhängigen, ihr Leben wieder zu ordnen und zu arbeiten."
Missbrauch durch Injektion ...
Lange war - genauso wie in Österreich - Methadon das dabei verwendete Opioid. Dann setzte man auf Buprenorphin. Die Expertin: "Dann hatten wir das Problem, dass das Buprenorphin injiziert wurde und auf den Schwarzmarkt gelangte. Das machte bis zu 70 Prozent des Buprenorphins aus."
... durch Nebenwirkungen beeendet
In Australien wird deshalb ein neues Medikament eingesetzt. Es handelt sich um ein Kombi-Präparat aus Buprenorphin und Naloxon. Allison Ritter: "Schluckt man es, dient es als Ersatzmittel. Wird es hingegen injiziert, stellen sich bei dem Konsumenten unangenehme Symptome ein."

Naloxon führt zu entzugsähnlichen Beschwerden. Das soll vom Missbrauch abhalten. Man rechnet, dass dieses Medikament bis Ende des Jahres auch nach Österreich kommt. Doch ein "Wundermittel" ist es natürlich auch nicht.
Ständige Suche nach Behandlungsmöglichkeiten
Das ist auch der Grund, warum die Wissenschaftler intensiv nach besseren Behandlungsmöglichkeiten suchen. Frank Vocci, Leiter der Abteilung für pharmazeutische Therapien am nationalen US-Institut für Drogenmissbrauch:

"Meine Abteilung hat im Jahr allein rund 100 Mio. Dollar Budget. Wir haben in den vergangenen 18 Jahren ständig nach medikamentösen Therapien gegen Opiat-, Kokain-Methamphetamin-Abhängigkeit und gegen Cannabis-Missbrauch gesucht."
Kein Mittel gegen Kokain-Sucht
So wurden zum Beispiel auf der Suche nach Mitteln gegen die Kokainabhängigkeit 60 verschiedene Medikamente getestet. Allerdings, keine von ihnen reduzierte wirklich den Konsum. Vielleicht bringt eine in Entwicklung stehende Impfung hier einen Umschwung.
Kritik an Verordnung zu Substitutionstherapie
Doch im Endeffekt kommt es vor allem darauf an, Süchtige überhaupt in eine medizinische Behandlung zu bringen, sie zu stabilisieren und anhaltend zu betreuen. Hier gab es heftige Kritik an den beiden neuen in Österreich geltenden Verordnungen zur Substitutionstherapie.

Michael Dressel, Wiener Drogenkoordniator: "Ich glaube, dass die Verordnungen besserungsbedürftig sind." Sie seien aber insgesamt auch ein gewisser Fortschritt. Eine Expertengruppe des Obersten Sanitätsrates unter der Wiener Psychiaterin Gabriele Fischer soll nun Vorschläge für eine Neufassung ausarbeiten. Damit soll die Auswahl der Substitutionsmittel wieder in die Hand der Ärzte kommen und nicht per Verordnung festgelegt werden, andererseits geht es um gewisse bürokratische Erleichterungen.

[science.ORF.at/APA, 10.9.07]
Mehr zum Thema in science.ORF.at:
->   Sportwissenschaftler: "Doping macht abhängig" (19.7.07)
->   Drogenkonsum erhöht Schlaganfallrisiko (30.5.07)
->   Drogensucht: "Eine Form pathologischen Lernens" (25.4.07)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010