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Winterdepression: Serotonin zu schnell abgebaut  
  Das Transportsystem für den Nervenbotenstoff Serotonin dürfte bei saisonal bedingten Depressionen überreagieren. Dadurch sinkt die Konzentration wichtiger Neurotransmitter im Gehirn.  
Sprechen Betroffene aber auf eine Lichttherapie an, dann normalisiert sich das System, haben Wissenschaftler der Universitätsklinik für Psychiatrie in Wien festgestellt.
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Die Studie "Enhanced Serotonin Transporter Function during Depression in Seasonal Affective Disorder" von Matthäus Willeit und Harald Sitte ist am 19. September in dem Journal "Neuropsychopharmacology" (doi:10.1038/sj.npp.1301560) erschienen.
->   Abstract der Studie
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Krankheitsbild Herbst-Winter-Depression
Die Winterdepression oder "saisonal-affektive Störung" (SAD) ist eine depressive Erkrankung, die in den Herbst- und Wintermonaten auftritt. Neben den typischen Symptomen einer Depression (erhöhte Irritabilität, Angst und Reduktion des Energieniveaus), leiden Betroffene auch an Heißhungerattacken, Gewichtszunahme und einem verlängerten Schlafzyklus.
Zu wenige Neurotransmitter
Der Grund für depressive Verstimmungen sind fehlende Nervenbotenstoffe im Gehirn: Betroffenen mangelt es an Neurotransmittern wie Serotonin, Noradrenalin und Dopamin im synaptischen Spalt. In den Lücken zwischen den Nervenzellen werden durch Ausschüttung von Botenstoffen die Signale von einem Neuron zum anderen übertragen.

Die meisten modernen Antidepressiva blockieren die Wiederaufnahme dieser Neurotransmitter aus dem synaptischen Spalt zurück in die Zelle und erhöhen damit die Serotonin-Konzentration im Gehirn.
Chemische Pumpe SERT
Die Studienleiter Matthäus Willeit und Harald Sitte nahmen 73 Personen mit SAD, die keine medikamentöse Behandlung erfahren, und 70 Personen ohne klinische Symptome einer Depression, Blut ab.

Die Forscher beobachteten die Aktivität der Serotonin-Transport-Proteine (SERT) in den Blutplättchen. Diese Moleküle pumpen das Serotonin zurück in die Zellen.

"Es handelt sich um dieselben Transport-Mechanismen wie im Gehirn. (...) Wir haben gemessen, wie viel Serotonin-Transport-Aktivität in einem bestimmten Zeitraum erfolgte. Das wurde noch nie gemacht", so Willeit gegnüber der APA. Aus der Aktivität von SERT in den Blutplättchen ließe sich also auf die Situation im Gehirn schließen.

Die Blutabnahmen erfolgten zu drei Zeitpunkten: Im Herbst oder Winter, sobald die ersten Symptome eintraten, vier Wochen nach einer Lichttherapie und das dritte Mal im Sommer.
Hyperaktiver Serotonin-Transporter
Der SERT-Spiegel war in beiden Gruppen gleich hoch. Signifikante Unterschiede zeigten sich jedoch bei der Geschwindigkeit des Serotonin-Abbaus: Bei den Patienten mit saisonaler Depression pumpten die Serotonin-Transporter eineinhalb Mal mehr des Botenstoffs aus dem Blut in die Blutplättchen hinein als bei den gesunden Probanden.

Das System ist also offenbar bei den Erkrankten überaktiv. Statt rund 200 solcher Transportvorgänge erfolgten etwa 340 pro Minute. Das Serotonin wurde also schneller "verbraucht".
Hilfreiche Lichttherapie
Um den Einfluss einer Lichttherapie auf saisonal bedingte Depressionen zu untersuchen, verbrachten die Probanden täglich 45 Minuten vor eine Lichtquelle mit 10.000 Lux in 60 Zentimeter Abstand. Nach vier Wochen wurde die Blutuntersuchung auf den Serotonin-Transport wiederholt.

"Bei denjenigen Patienten, die auf die Behandlung ansprachen, normalisierte sich das Serotonin-Transport-System wieder", so Willeit. Die Reduktion der Aktivität des Serotonin-Transportsystems bewirkt also offenbar eine Steigerung der Serotonin-Konzentration im Gehirn. Etwa zwei Drittel der Kranken mit depressiven Beschwerden sprechen auf eine Lichttherapie an.

Ein drittes Mal wurde die Untersuchung im darauffolgenden Sommer wiederholt. Durch genügend Außenlicht sind die von Herbst-Winter-Depressionen Betroffenen symptomfrei und auch das Transportsystem funktioniert normal.

[science.ORF.at, APA, 20.9.07]
->   Die Winterdepression (Wikipedia)
->   Universitätsklinik für Psychiatrie Wien
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Studie: Depressive Verstimmungen immer häufiger (23.11.05)
->   Depressionen: Eine "normale" Krankheit (18.8.04)
 
 
 
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01.01.2010